Wir dokumentieren hier das Eröffnungsreferat von Juan José Tamayo auf dem 44. Theologischen Kongress der Theologenvereinigung Johannes XXIII. am 5. September 2025. Tamayo hat sich als Theologe mit der Befreiungstheologie und dem Islam beschäftigt. Als Professor ist er in Madrid tätig.
Das Thema des diesjährigen Kongresses hat mit der turbulenten, irrationalen globalen Realität zu tun, die wir gegenwärtig erleben: „Die Welt in der Finsternis. Gibt es überhaupt noch Grund zur Hoffnung?“ Ich wurde gebeten, ein paar Gedanken vorzutragen zum Thema „Die zusammenbrechende Welt und ein radikales Christentum“. Das Thema ist nicht einfach, wir können uns davor jedoch nicht drücken.
Ich will das Thema in drei Abschnitten bearbeiten: Zunächst will ich versuchen, die wichtigsten Erscheinungsformen des aktuellen globalen Zusammenbruchs zu skizzieren; im zweiten Abschnitt werde ich nur kurz erste Anzeichen erwähnen, die es uns helfen könnten, den Zusammenbruch zu überwinden; im dritten Abschnitt will ich mich darum bemühen, die Frage zu beantworten, was ein radikales Christentum zu dieser Überwindung beisteuern kann. Eine zusammenbrechende Welt und ein radikales Christentum weiterlesen →
Aufruf der ‚Nußdorf-Gemeinde‘ zur Friedensproblematik
Die „Nußdorf-Gemeinde“ ist eine Gruppe von etwa 25 Personen aus dem Kreis der Betriebsseelsorge und KAB, die seit über 30 Jahren regelmäßig in Nußdorf/Attersee mit dem Theologen und Mathematiker Kuno Füssel Leben und Glauben biblisch reflektiert. Stellvertretend: Kuno Füssel, Hubert Gratzer, Hans Gruber, Monika Pointner, Elisabeth Schatz, Anna Wall-Strasser. mail: wastra@aon.at
I. Gefährdungen und Verhinderungen des Friedens – aktuelle Bestandsaufnahme
Das Wort von der Zeitenwende hat eine ungeahnte und bestürzende Bedeutung bekommen. Aus Regierungserklärungen und politischen Debatten tönt uns unverhohlen die Überzeugung entgegen, dass der Aufbau von Kriegsfähigkeit und die damit verbundene Aufrüstung das Gebot der Stunde sind.
Ausgehend von den USA unter Trump kennzeichnet eine gigantische Aufrüstung, gefolgt von einem brutalen Sozialabbau die momentane Entwicklung in vielen Volkswirtschaften (vgl. z.B. die BRD). Der Kapitalismus setzt auf Kriegswirtschaft, um auf Gedeih und Verderb sein Überleben zu sichern. Anstelle einer auf dem Völkerrecht aufbauenden internationalen Ordnung droht die militärische Macht des jeweils stärkeren Staates zum maßgeblichen Faktor der internationalen Politik zu werden. Die Kriege gegen die Ukraine und in Gaza sind dafür erschütternde Belege. Wachsender Nationalismus im Verbund mit ungehemmter Gier nach Rohstoffen überziehen wie eine Seuche den ganzen Planeten.
Wenn vor diesem Hintergrund uns aus der Politik und den Mainstream-Medien eine vor Jahren noch undenkbare Rechtfertigung des Krieges als unumgängliche Möglichkeit der Konfliktlösung aufgedrängt wird, dann müssen wir den Mut haben, entschieden dagegen zu halten, denn Zynismus und Dummheit machen vergessen, was Krieg ist und war und in Zukunft noch schlimmer werden wird. Durch den Krieg, und zwar jeden Krieg und überall, werden die ansonsten so oft und gerne beschworenen ethischen Grundorientierungen und Werte der menschlichen Gesellschaft endgültig zu Grabe getragen. Was kein Mensch in Friedenszeiten darf und zu Recht unter Strafe steht, wird ihm im Kriegsfall sogar befohlen: Andere Menschen zu töten. Friedensfähig statt kriegstüchtig. Plädoyer für einen Abschied vom Wahnsinn des Krieges. weiterlesen →
Mit dieser Frage beschäftigt sich unser neuer Podcast, in dem das Team des Institut für Theologie und Politik (ITP) miteinander im Gespräch ist. In dem Podcast, der hier abrufbar ist, sprechen wir darüber, womit sich das ITP seit über 30 Jahren beschäftigt, wie Theologie, Politik und Lebensform zusammenhängen und was eine feministische politische Theologie sein könnte. Wir freuen uns über interessierte HörerInnen!
Eine Rezension von Prof. em. Dr. Norbert Mette, Juli 2025
Am 10. Juni wurde in Lima (Peru) vom Centro de Estudios y Publicaciones (CEP) und Instituto Bartolomé de Las Casas ein gerade neu erschienenes von Gustavo Gutiérrez vorgestellt: Vivir y pensar el Dios de los pobres. Es handelt sich um das Buch, an dem Gutiérrez seit 2000 gearbeitet hat und das er bis zu seinem Tod am 22. Oktober 2024 nicht mehr selbst hat abschließen können. Diese Aufgabe hat Leo Guardado übernommen.
Am 27. Mai 2025 fand ein gemeinsamer Studientages des Netzwerkes migrationscharta.ch und des Instituts für Theologie und Politik mit einem Erfahrungsaustausch, theologischer Reflexion und Diskussion zu Strategien in der Migrationspolitik in Zürich (CH) statt. Ein Schwerpunkt war die Frage danach, ob Kämpfe um Migration gerade deshalb so schwach sind im Moment, weil ihnen ein Verständnis von Transzendenz als Horizont fehlt? Wir dokumentieren hier die beiden Vorträge von Jacob Schädelin und Michael Ramminger: Transzendenz in ihrer Bedeutung für Migrationskämpfe und Gesetzeskritik weiterlesen →
Am 30. Mai 2025 hat sich Papst Leo XIV. mit einer Ansprache an Teile der italienischen Friedensbewegung gewandt. In Zeiten, in denen das Töten und Sterben in Gaza und der Ukraine wie in anderen Teilen der Welt weitergeht und ein Diskurs von Aufrüstung und Militarisierung in unserer Gesellschaft dominiert, ist es ermutigend zu sehen, dass Papst Leo XIV. von Anfang seines Pontifikats an den Kurs von Papst Franziskus fortsetzen möchte und entschieden für friedliche Lösungen, also ein sofortiges Ende der militärischen Gewalt und die Beendigung der Aufrüstungsspirale, eintritt. Besonders freut es uns, dass er ebenso wie sein Vorgänger dabei nicht allein an die Herrschenden der Welt appelliert, sondern auf die Zusammenarbeit mit den Bewegungen von unten setzt und in deren kreativen, entschiedenen Engagements für den Frieden ein Zeichen der Hoffnung erkennt. So fordert er dazu auf, die Logik des Krieges, der nationalen Sicherheit und des Militärs umzudrehen. Dem widersinnigen Spruch, dass wer den Frieden will, für den Krieg rüsten solle, setzt er eine andere Logik entgehen: Wer Frieden will, muss den Frieden vorbereiten. Diesen Text möchten wir hier in deutscher Übersetzung veröffentlichen:
Der Beitrag von Jan Henrik Röttgers beschäftigt sich mit der Frage, ob die christliche Friedensethik im 21. Jahrhundert noch relevant ist, und analysiert ihre biblischen Wurzeln sowie ihre Entwicklung von der Antike bis heute. Dabei wird deutlich, dass die biblischen Vorstellungen von Frieden (שָלוֹם im Alten Testament und Ειρήνη im Neuen Testament) tief mit Gottes Wirken und Gerechtigkeit verbunden sind, während sich die Kirche im Lauf der Geschichte zunehmend an staatliche Macht und den „gerechten Krieg“ anpasste. Aktuelle Herausforderungen bestehen vor allem in der veränderten Kriegsführung, der Schwäche des Völkerrechts und geopolitischer Konflikte, wobei die Friedensethik heute eher auf Diplomatie, Gewaltverzicht und eine radikale Abkehr von staatlicher Souveränität setzt, um einen dauerhaften Frieden zu fördern. Der Text ist hier abrufbar:
Ist der Tod von Papst Franziskus und die Nachfolge in einer kirchlichen Institution für Revolutionäre von Interesse? Überlegungen von unserem Mitstreiter Allan da Silva Coelho (Brasilien)
In den sozialen Netzwerken wurden einige Portale der revolutionären Linken, die ihre Solidarität mit dem verstorbenen Papst zum Ausdruck brachten, von ihren Lesern unter Druck gesetzt, „die andere Seite“ zu zeigen und die Spaltung der Meinungen deutlich zu machen. Für Teile der Linken war Franziskus ein Verbündeter. Für andere war er eine Gefahr, weil er die Legitimation einer Gesellschaftsordnung repräsentierte, die es gar nicht mehr geben sollte… Allerdings ist eine Diskussion darüber, wie Kirchen oder Religionen sein sollten, nicht der beste Ausgangspunkt für eine dialektische, historische und materialistische Analyse. Ich möchte Elemente zur Diskussion stellen, inwiefern das Erbe von Franziskus zum revolutionären Kampf der Arbeiterinnen und Arbeiter für die Überwindung des Kapitalismus im Hinblick auf den Sozialismus beiträgt oder nicht.
Dazu werde ich einige Elemente des historischen Kontexts hervorheben, um anschließend Denkanstöße zu seiner Beziehung zu unserem Bereich des Klassenkampfes zu geben: die Rezeption Franziskus‘ durch die politischen Kräfte, sein Versuch, innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche zu handeln, sowie die Grenzen und Beiträge seines Programms. Franziskus: ein Papst mit radikalen Utopien? weiterlesen →
Aus Anlass des Todes von Papst Franziskus haben wir einen Artikel im Neuen Deutschland veröffentlicht unter dem Titel: Wider die Gleichgültigkeit. Ein befreiungstheologischer Aufruf, die Zuschauerrolle zu verlassen. Er kann hier abgerufen werden.
An dieser Stelle möchten wir die Erklärung des Politischen Komitees der Weltbegegnungen der Volksbewegungen zum Tod von Papst Franziskus veröffentlichen. Wir haben selbst an den Welttreffen teilgenommen und den Prozess mit begleitet.
Mit tiefer Trauer und unermesslicher Dankbarkeit nehmen die Volksbewegungen der Welt Abschied von unserem Bruder Franziskus – Papst, Hirte und Prophet –, der an der Seite der von der Geschichte Verstoßenen ging und uns lehrte, dass es nicht ausreicht, zu überleben: Wir müssen in Würde leben.
Foto des 3. Welttreffens der Sozialen Bewegungen 2016 im Vatikan, an dem wir uns auch beteiligt haben.
Unser geliebter Papst Franziskus war kein ferner Verbündeter, sondern ein Wegbegleiter. Seit dem ersten Weltkongresses 2014 bis zu seiner letzten Botschaft sah er in den bescheidensten und rechtlosen Arbeitern, in denen ohne Land, Obdach und Arbeit, eine transformative Kraft, eine lebendige Hoffnung, einen Keim der Brüderlichkeit und Freundschaft, die eine wirklich bewohnbare Welt aufbauen kann. Er gab uns eine Stimme, erkannte uns als
„soziale Poeten“ an und vertraute uns eine Mission an, die wir nun mit noch größerem Engagement erfüllen müssen. Erklärung des Politischen Komitees der Weltbegegnungen der Volksbewegungen zum Tod von Papst Franziskus weiterlesen →
Hoffnung praktisch werden lassen, so verstehen wir Christentum