Archiv der Kategorie: Allgemein

Erklärung des Politischen Komitees der Weltbegegnungen der Volksbewegungen zum Tod von Papst Franziskus

Mit tiefer Trauer und unermesslicher Dankbarkeit nehmen die Volksbewegungen der Welt Abschied von unserem Bruder Franziskus – Papst, Hirte und Prophet –, der an der Seite der von der Geschichte Verstoßenen ging und uns lehrte, dass es nicht ausreicht, zu überleben: Wir müssen in Würde leben.
Unser geliebter Papst Franziskus war kein ferner Verbündeter,  sondern ein Wegbegleiter. Seit dem ersten Weltkongresses 2014 bis zu seiner letzten Botschaft sah er in den bescheidensten und rechtlosen Arbeitern, in denen ohne Land, Obdach und Arbeit, eine transformative Kraft, eine lebendige Hoffnung, einen Keim der Brüderlichkeit und Freundschaft, die eine wirklich bewohnbare Welt aufbauen kann. Er gab uns eine Stimme, erkannte uns als
„soziale Poeten“ an und vertraute uns eine Mission an, die wir nun mit noch größerem Engagement erfüllen müssen.
Er ging an unserer Seite und lehrte uns, dass Land, Wohnung und Arbeit heilige Rechte sind – und dass der Kampf dafür weder Populismus noch Ideologie ist: Er ist Evangelium und soziale Gerechtigkeit. Er erinnerte uns daran, dass der christliche Glaube – und jedes menschliche Gewissen – den Schrei der Leidenden nicht zum Schweigen bringen und sich nicht mit der Wegwerfkultur abfinden kann. Sein Lehramt war Zärtlichkeit mit Mut,
Anklage mit Mitgefühl, Politik mit Liebe.

Er schenkte uns Vertrauen und gab uns einen Auftrag: „Ihr seid nicht unbedeutend, ihr steht an vorderster Front.“ Er warnte uns vor der Logik des Individualismus, der Korruption und des Krieges. Er prangerte die Macht an, die vor dem Geld statt vor der Gerechtigkeit niederkniet. Er rief uns auf, für unser gemeinsames Haus zu sorgen, den Strukturen der Sünde mit menschlichem Antlitz entgegenzutreten, um das Gemeinwohl aufzubauen, gemeinsam zu träumen und niemanden zurückzulassen.
Heute geht Franziskus, aber er verlässt uns nicht. Er bleibt in unseren Kämpfen, in unseren Versammlungen, an jedem Arbeitsplatz, in jeder Gemeinschaftsküche, in jedem Stadtgarten, in jeder Nachbarschaft, in jeder Widerstandsaktion und in jeder Solidaritätsarbeit. Sein Glaube wurde zu konkreter Hoffnung. Sein Wort wurde Gemeinschaft. Sein Herz wurde ein Zuhause für alle Völker.
Im Namen der Ausgeschlossenen, die ihn als einen der ihren  angenommen haben, im Namen derer, die weiterhin an die Kraft der Zärtlichkeit und an die Kraft eines kollektiven „Wir!“ glauben, sagen wir: Danke, Franziskus. Danke, Bruder. Möge deine Erinnerung uns stärken, möge dein Beispiel uns leiten und möge dein Vermächtnis in jedem Kampf für die Menschenwürde überall weiterleben.
Unterzeichnet von der Landlosenbewegung (MST) Brasilien | Union der Arbeiter der Volkswirtschaft (UTEP) Argentinien | Slum Dwellers International (SDI) | Weltbewegung christlicher Arbeitnehmer (WMCW) |PICO Network Vereinigte Staaten | Mediterranea Saving Humans (MSH) und Spin Time Italien

(eigene Übersetzung, Quelle: https://movpop.org/2025/04/declaracion-del-comite-politico-de-los-encuentros-mundiales-de-movimientos-populares-tras-el-fallecimiento-del-papa-francisco/ )

Rundbrief 62 erschienen

Anfang April 2025 ist unser Rundbrief Nr. 62 mit folgenden Themen erschienen:

– Lebendiger Wandel und Treue. 50 Jahre „ Unsere Hoffnung“ (Julia Lis)

„Ich bin noch da“ Notwendigkeit des internationalen Dialogs zwischen Basisgruppen (Alberto Moreira)

Gutes Leben – buen vivir – und die Rechte der Natur. In Lateinamerika und überall (Barbara Imholz)

Über den Zustand der Demokratie. Oder: Wo ist der Souverän geblieben? (Michael Ramminger)

Der Rundbrief kann hier heruntergeladen werden: Rundbrief_62

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Das Konzil von Nizäa als Moment der Konstantinischen Wende. Das erste Konzil im Licht des einundzwanzigsten

Anfang 2025 ist in 2. Auflage das Buch von Urs Eigenmann/Kuno Füssel/Franz J. Hinkelammert (Hg.) erschienen: Der himmlische Kern des Irdischen. Das Christentum als pauperozentrischer Humanismus der Praxis, Luzern 22025. In ihm behandelt Urs Eigenmann die Wende vom messianisch-biblischen Christentum zur staatsreligiösen, platonisierten Orthodoxie im Konzil von Nizäa und der konstantinischen Wende. Das Buch kann im ITP bestellt werden.

Hier veröffentlichen wir den neusten Text von Dr. Urs Eigenmann: Das Konzil von Nizäa als Moment der Konstantinischen Wende. Das erste Konzil im Licht des einundzwanzigsten weiterlesen

Der Wahlsieg der Rechten wurde von all denen vorbereitet, die diesen öffentlichen Rassismus salonfähig gemacht haben …

Nach dem Wahlsieg der Rechten in Frankreich im vergangenen Jahr hat der französische Philosoph Jaques Ranciere in einem Gespräch dazu folgendes gesagt. Seine Antwort sollte auch uns nachdenklich machen. Das Gesamtgespräch mit Octave Larmagnac-Matheron ist am 25. Juni 2024 im Philosophie Magazin veröffentlicht worden. Es ist hier nachzulesen: Jacques Rancière: „Es gibt keine Krise der Demokratie, weil es keine wirkliche Demokratie gibt“.

 … Was waren Ihre ersten Gedanken zum Erfolg des Rassemblement National bei den Europawahlen und zu Macrons Ankündigung, die Nationalversammlung aufzulösen?

Der Wahlsieg des Rassemblement National (RN) wurde seit langem erwartet. Und vor allem wurde er längere Zeit systematisch von unseren Regierungen vorbereitet – sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite –, die immer wieder betonten, dass die extreme Rechte die richtigen Fragen stelle, sie selbst aber allein in der Lage seien, die richtigen Antworten darauf zu geben. Sie wurde von all jenen vorbereitet, die nicht aufgehört haben, dem als populär geltenden Rassismus des RN einen „sauberen Rassismus von oben“ entgegenzusetzen; von all jenen, die diesen öffentlichen Rassismus salonfähig gemacht haben, indem sie ihm die Farben der Republik, des Laizismus, der Gleichstellung von Mann und Frau, des Kampfes gegen den Antisemitismus und anderer traditionell linker Werte verliehen haben. Das Problem ist nicht die Anzahl der Stimmen, die diese rassistische Partei erhält, sondern der Triumph des Rassismus in den Sphären der Regierung, der Medien und der Intellektuellen. Was Macron betrifft, so teilt er die gewöhnliche Illusion von Regierenden, die ihre bloße Lust an der Macht für den Besitz einer profunden strategischen Wissenschaft halten. Es ist besser, nicht zu sehr zu versuchen, in ihre dunklen Beweggründe einzudringen. …

Frühkirchlicher Pazifismus

Die von Thomas Gerhards vorgelegte Quellensammlung „Pazifismus und Kriegsdienstverweigerung in der frühen Kirche“ galt ab 1984 als „Geheimtipp“ in der christlichen Friedensbewegung. Die Online-Neuausgabe von 2024 kann verbreitet und digital hier heruntergeladen werden

 

Thomas Gerhards: Pazifismus und Kriegsdienstverweigerung in der frühen Kirche. Eine Quellensammlung. – Neuedition der sechsten Auflage von 1991. (= edition pace ǀ Regal: Pazifismus der frühen Kirche 2). Online-Ausgabe, 04.12.2024.

Volker Beck: Es reicht!

„Dieser Papst ist und war nie ein Theologe. Er ist ein Opportunist. Dafür lieben ihn manche. Andere halten ihn deshalb für den Totengräber der Kirche. Nostra Aetate hat er gerade beerdigt, und Johannes Paul II. gleich mit. Man kann ihn nur verachten. “

Sollte dieser Tweet von Volker Beck, dem Vorsitzenden der deutsch-israelischen Gesellschaft authentisch sein, dann wäre das ein neuer Tiefpunkt  seiner (und vieler anderer) alles Israel-regierungskritisches Denken haßerfüllten Diffamierung.

Die volksstürmerische Agitation gegen alle, die sich um ein differenziertes Denken und Handeln im Konflik Israel – Gaza – Westbank bemühen, ist in keiner Weise mehr nachvollziehbar. Dazu gehören insbesondere die umstandslosen und undifferenzierten Antisemitismusvorwürfe gegen kairos-Palästina oder BDS, und jetzt auch dieser Post. Die geiferische Unterstützung einer israelischen Regierung, die nur die Waffengewalt als mögliche Lösung des Konflikts proklamiert, wird am Ende dastehen als das, was sie ist. Sie wird nichts zur Lösung der historischen Probleme beitragen, sondern das Gegenteil erreichen: die Zementierung der Auswegslosigkeit aus diesem tödlichen Konflikt. Insofern ist Volker Becks hemmungsloses Agitieren kein Ausdruck eines Kampfes gegen den Antisemitismus, sondern wird sich letztlich als zusätzliche Delegitimierung Israel darstellen. Wir haben aber wenig Hoffnung, dass er diese Form von historischem, dialektischen Denken beherrrscht. Dazu ist seine Schwarz-Weiss-Malerei zu deutlich.

Und hier der Link zur Botschaft von Past Franziskus zum  Weltfriedenstag.

Antônio Canuto

Nicht viele werden seinen Namen kennen, noch weniger hier in Deutschland werden ihn gekannt haben: Antônio Canuto. Als ehemaliger Priester in São Félix do Araguaia in Brasilien war er der rechte (und linke) Arm von Bischof Pedro Casaldaliga. Er war vielen ein großartiger Weggefährte, ein radikaler Franziskaner. Er war nicht nur der ehemalige Generalsekretärs der Landpastoralkommission der brasilianischen Bischofskonferenz, er war lange Jahre das Gesicht der CPT und deshalb irgendwie auch der legendären brasilianischen Landlosenbewegung MST. Antônio Canuto gehörte zu jener Generation, die dem Christentum Glaubwürdigkeit verschafft haben. Er kam aus Rio Grande do Sul in den mittleren Westen Brasiliens, um sein Leben den Armen und der sozialen Gerechtigkeit zu widmen:  Nun ist er gestorben. Wir werden ihn sehr vermissen.

Zur Erinnerung an das Massaker vom 16.11.1989 in San Salvador: Die Toten sind nicht tot?

Michael Ramminger

Foto: M. Ramminger

Am 16. November 1989, also vor 35 Jahren, wurden in El Salvador an der Zentralamerikanischen Universität UCA die Jesuiten Ignacio Ellacuría, Segundo Montes, Ignacio Martín-Baró, Joaquín López y López, Juan Ramón Moreno und Amando López im Garten ihres Wohnhauses erschossen. Auch die Köchin Elba Ramos und ihre Tochter Celina wurden ermordet, die in dieser Nacht Schutz im Haus der Jesuiten vor den Kämpfen des Bürgerkriegs gesucht hatten. Sie wurden vom Atlacatl-Bataillon, einer Art „Anti-Terror“- Einheit auf Befehl des Militärs erschossen. Die Ermordung war als Gegenaktion zu einer massiven Offensive der 1980 gegründeten salvadorenischen Befreiungsbewegung FMLN (Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional) gedacht. Bei dieser Offensive drang die Guerilla bis in die Hauptstadt und viele Armenviertel vor. Es bleibt wohl für immer unbeantwortet, ob die FMLN nicht bereits Anfang, Mitte der achtziger Jahre die Regierung hätte stürzen können, wäre diese nicht so massiv von den USA unterstützt worden. Zur Erinnerung an das Massaker vom 16.11.1989 in San Salvador: Die Toten sind nicht tot? weiterlesen

Gustavo Gutierrez zu würdigen

Gustavo Gutiérrez aus Peru, der Mitinitiator der Befreiungstheologie, starb am 22. Oktober 2024 in Lima. Das ITP – aus politisch-theologischem und befreiungstheologischem Denken inspiriert – weiß sich von Gustavo´s Werk motiviert.

Befreiungstheologe aus Leidenschaft für das Leben

Der 1928 geborene Gutierrez studiert in Lima, Löwen und Lyon Medizin, Philosophie, Psychologie und Theologie. Als Priester der Erzdiözese Lima ist er lange Zeit als Pfarrer im Armenviertel Rimac/Lima tätig und zugleich Professor für Theologie und Sozialwissenschaften an der Katholischen Universität in Lima. Damit beglaubigt er die These, die seinem theologischen Arbeiten die Richtung weist: „La teología es una inteligencia del compromiso“ – Theologie ist kein frommes Glasperlenspiel. Theologie ist vielmehr intellektuelle Erkenntnis, die im Glauben an den Gott des Lebens aus dem Engagement an der Seite der Armen stammt, weil ihnen das „Recht auf Rechte“ verwehrt wird und sie zu vorzeitigem Tod verdammt sind. Gutiérrez fragt sich selbst, aber ebenso die Kirche und ihre Theologie, wie kann man von einem Gott der Liebe inmitten von Armut und Unterdrückung sprechen; wie vom Gott des Lebens zu Menschen reden, die tagtäglich einen ungerechten, gewaltsamen und vorzeitigen Tod sterben; wie von Auferstehung mitten in einer Lage, die das Zeichen des Todes an sich trägt; wie von dem gütigen Vatergott in einer unmenschlichen Welt; denn das heißt doch dem zur Unperson gemachten Menschen sagen, dass er/sie Sohn/Tochter Gottes sei. Diesen Grundfragen müssen sich die Theolog*innen stellen, wenn sie nicht zu überflüssigen Tröstern werden wollen wie die Freunde Hiobs im Alten Testament. Gustavo Gutierrez zu würdigen weiterlesen

„Zwischen Verdrossenheit und gelebter Vielfalt“

Shell Jugendstudie 2024

Kommentar von Andreas Hellgermann, Arbeitskreis ReligionslehrerInnen am ITP

In diesen Tagen ist die neue Shell-Jugendstudie herausgekommen und es ist bemerkenswert, welche Ergebnisse angezeigt werden, wenn das Stichwort „Shell Jugendstudie 24“ in eine beliebige Suchmaschine eingegeben wird. Es zeigt sich eine widersprüchliche Mannigfaltigkeit: Angst vor der Zukunft, mehrheitlich optimistisch, alarmierende Trends, noch nicht verloren, besser als ihr Ruf, Interesse an Politik … und, und, und.

Zwei Punkte allerdings werden auch von den Machern der Studie hervorgehoben und tauchen im Titel auf. Die Zukunftsängste werden einem pragmatischen Optimismus gegenübergestellt. Es ist sehr naheliegend, das für einen Widerspruch zu halten.

Was aber ist, wenn es genau an dieser Stelle gar keinen Widerspruch gibt? „Zwischen Verdrossenheit und gelebter Vielfalt“ weiterlesen