Kommentar zum neuen Buch von Benedikt XVI.

Durchsichtige Manöver – Kritische Anmerkungen zu dem Buch „Letzte Gespräche“ Benedikts XVI.  mit Peter Seewald, München 2016.

von Heinz-Theo und Norbert Arntz

Vorbemerkung: Die folgenden Ausführungen sind Ergebnis einer kritischen Lektüre und Analyse des Buches. Sie ersetzen eine solche nicht, fordern vielmehr dazu heraus und weisen durch Angabe der Seitenzahlen auf Schlüsselstellen für die hier vorgetragene Einschätzung hin.

Wenn man schon im Vorfeld in den Himmel des Einzigartigen (20), des „Jesus-Papstes“ (207), durch seinen Biographen und Stichwortgeber gehoben wird, ist es ein Leichtes, sich im Interview von angeblichen Übel-Beleumdungen zu distanzieren und offensichtliche Verantwortlichkeiten zu dementieren.

Josef Ratzinger hat anscheinend keine Einwände gegen den Versuch seiner Entourage, seine Rolle als Papst in bestimmter Weise zu stilisieren und im Sinne „letzter Gespräche“ letztgültige Interpretationen durchzusetzen, die in mancherlei Hinsicht fragwürdig sind. Nach Andreas Batlogg hätte dieses Buch aus guten Gründen nicht erscheinen dürfen. Denn der „papa emeritus“ liefert in diesem Buch, das im Titel keinen Hinweis auf diesen Status enthält, ein Selbstbild, das sich mit dem vorgeblichen Rückzug in Gebet und Schweigen nur schwer verträgt.

Es wird das Bild eines Lebens skizziert, das sich in besonderer und einzigartiger Weise kontinuierlich daran abarbeitete, das „Bollwerk des Katholizismus“ (13) gegen die Irrläufe des Jahrhunderts abzusichern. Unter der Hand wird dabei der eigene Weg als alternativlos von anderen Wegen abgegrenzt. Die Tendenz zur Abwertung anderer Positionen wird beispielsweise deutlich, wenn die eigene Progressivität scharf unterschieden wird von einer Progressivität, die angeblich „aus dem Glauben ausbricht“ (153, 184), oder wenn wahrheitswidrig dem Konzilstheologen die entscheidenden Impulse für den konziliaren Reformprozess zugeschrieben werden (13 f., 16), ohne die maßgebliche Rolle anderer auch nur zu erwähnen.

Abgeschmackt wirkt es und eines Papa Emeritus nicht würdig, wenn theologische Konkurrenten wie Küng und Metz in ihren Anliegen als anpasserisch und abwegig (14, 176, 184) diffamiert werden, von der karikierenden Verzerrung Rahners ganz zu schweigen (185).

Fatal wird es, wenn die Verantwortlichkeit für „Dominus Jesus“ geleugnet wird (200), ein Dokument, das dem Geist des Zweiten Vatikanums zutiefst zuwider ist, obwohl es die Texte zitiert. Der Konzilstheologe Ratzinger hätte dieses Dokument zumindest im Sinne des Konzils korrigieren können, trägt es doch seine Unterschrift. Aber schon früh hat Ratzinger seine Skepsis gegen den „Geist des Konzils“ zu Papier gebracht und in diesem Sinne sein Amtsverständnis im Laufe seiner Karriere entwickelt.

Die Tendenz zur Verabsolutierung der eigenen Position springt förmlich ins Auge, wenn der Stichwortgeber das dreibändige Jesus-Opus des Papstes unwidersprochen zum „Grundlagenwerk des christlichen Glaubens für Generationen von Priestern und Laien“(235) erklärt. Wenn das nicht der Geist des Inquisitors ist, des „Si quis dixerit…anathema sit“, der Formel, mit der früher abweichende Auffassungen verdammt wurden (vgl. Konzil von Trient und Vatikanum I)!?

Anathematismen werden zwar nicht direkt ausgesprochen, lugen aber zwischen den Zeilen hervor. Denn die Wahrheit ist zweifelsfrei im Katholizismus (272). Dass das Konzil einen Schritt zurücktrat und anerkannte, dass auch in anderen Überzeugungen und Weltanschauungen Wahres und Heiliges zu finden ist, vielleicht gar der Geist Gottes aus ihnen korrigierend zu uns spricht, ist in diesen „letzten Gesprächen“, die Letztgültiges insinuieren, kein Thema.