Hoffen und Widerstehen!

Am Sonntag, den 21.10.  ist unsere Konziliare Versammlung zu Ende gegangen. Nach zwei Tagen in den unterschiedlichsten Gruppen mit unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten und Interessen haben wir am letzten Tag in einer spannenden und manchmal auch angespannten Diskussion unsere Botschaft verabschiedet: Sie redet von unserem Widerspruch zur herrschenden kapitalistischen Weltunordnung, gegen Diskriminierung und Marginalisierung der Vielen in unseren Gesellschaften, von unserem Wunsch nach radikaler Demokratie in Gesellschaft und Kirche, und nicht zuletzt von unserem Wunsch nach einer Kirche, nach einer ekklesia, die ihren Namen verdient, weil sie sich in ihrer Struktur und in ihrem Inhalt an der frohen Botschaft orientiert. Die engagierte Diskussion zeigte, dass es allen um eine erneuerte, prophetische Kirche ging. Viele der Beteiligten sind sich zum ersten Mal begegnet, oder zum ersten Mal nach langer Zeit wiederbegegnet. Einen Moment lang sah es so aus, als ob der gemeinsame Geist der Neuerung, der gemeinsame Wille, die Zeichen der Zeit zu bestimmen, zu zerbrechen drohte.

Aber dann setzte sich das, was der brasiliansiche Befreiungsthologe Alberto Moreira als teilnehmender Beobachter uns sagte, durch: „Wenn ich mir andererseits die Lebensituation der Armen vor Augen halte, an die beissende Not des Hungers, an die ständige Demütingung, der sie ausgeliefert sind, zurückdenke, müsste ich auch sagen: Nehmt Euren Willen, bei jedem Wort und Begriff Recht zu haben nicht so wichtig … nehmt Eure Enttäuschung, nicht bei jeder Diskussion mitgeredet zu haben nicht so ernst … Es geht uns auch darum, uns sensibler für die Sprachlosen zu machen, von den Bedrängten zu lernen, mit ihnen vielleicht andere Prioritäten auf die Agenda zu setzen.“

Wir haben einen neuen gemeinsamen Weg eingeschlagen, der das II. Vatikanische Konzil in seinen besten Teilen erinnert, seinen Reich-Gottes-Gedanken, seine Bereitschaft zur Kirchenreform ad intra und ad extra, seine Auseinadersetzung mit Ökumene, mit dem Judentum und der Religionsfreiheit. Die Konziliare Versammlung war der erste Schritt einer erneuerten Auseinandersetzung mit den Zeichen der Zeit. Auf diesem Weg werden wir noch viel Gelegenheit haben, unsere Unterschiedlicheiten zu verstehen und unsere Gemeinsamkeiten zu vertiefen.

 

Botschaft der Konziliaren Versammlung, 18.-21. Oktober 2012 in Frankfurt

Das II. Vatikanische Konzil war der Anfang eines Anfangs: die katholische Kirche bricht auf in die moderne, plurale Welt – eine Welt, in der sich die Kluft zwischen Reichen und Armen immer mehr vergrößert. Sie entdeckt das Antlitz Jesu neu – in den Ängsten und Hoffnungen der Menschen, besonders der Armen und Bedrängten.
Das Konzil war auch die Zeit des Aufbruchs einer Kirche, die den Klerikalismus überwinden wollte. Die überkommenen kirchlichen Strukturen stehen jedoch nach wie vor einer glaubhaften Verkündigung im Wege.

50 Jahre danach setzen wir, Christinnen und Christen in Kirchengemeinden und Verbänden, kirchlichen Werken, Basis- und Reformgruppen diesen Weg fort: die Glut des konziliaren Aufbruchsfeuers neu freizulegen und zu entfachen. Als pilgerndes Volk Gottes in den Wirren und Konflikten unserer Tage eint uns der Wille, das Vermächtnis des Konzils und des konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung heute zu leben, die „Zeichen der Zeit“ zu erkennen und Alternativen zur neoliberalen Herrschaft von Kapital- und Gewinnsucht zu praktizieren.

Die Konziliare Versammlung zeigte, dass es viele christliche Gruppen und Initiativen gibt, die konkrete Schritte tun, um in unserer Welt ein menschenwürdiges und naturverträgliches Leben für alle zu ermöglichen. Sie widersetzen sich einem Denken und Handeln in Politik und Wirtschaft, das uns weismachen will, es gebe keine Alternative zur kapitalistischen Weltordnung. Die Gewissheit, dass eine andere Welt möglich ist, steht unserer Überzeugung nach in engster Verbindung mit der Reich-Gottes-Botschaft Jesu, die vom Konzil neu zu Bewusstsein gebracht wurde. Diese andere Welt Gottes scheint dort zeichenhaft auf, wo Menschen das, was zu einem würdigen Leben notwendig ist, miteinander teilen.

Uns trägt die Verheißung Jesu eines „Lebens in Fülle“ (Joh 10,10) für alle. Eine andere, eine prophetische und diakonische Kirche ist nötig und möglich; eine andere Kirche, die Gleichstellung aller Geschlechter und Lebensformen, Partizipation und Dialog, radikale Demokratie und tiefe Schöpfungsverbundenheit verwirklicht!

  • Wir sind Volk Gottes im Geist des Konzils, wenn wir für ein Leben aller Menschen in Würde kämpfen und die Einheit des Lebens im gerechten Tun und im Beten proklamieren.
  • Wir sind Volk Gottes, wenn wir mit vielen suchenden Menschen weltweit, mit feministischen sozialen und politischen Menschenrechts- und Demokratiebewegungen verbunden sind. Darin sind die Lesben-, Schwulen-, Transgender- und Intergender-Bewegungen eingeschlossen.
  • Wir sind Volk Gottes, wenn wir die Heiligkeit der Erde als Gottes Schöpfung achten, sie bebauen und bewahren.
  • Wir sind ein Volk Gottes, wenn wir die konfessionelle, religiöse und kulturelle Vielfalt respektieren.

Die biblische Botschaft vom Gott des Lebens ist für uns Zu- und Anspruch: Anders Mensch sein in einer anderen Kirche für eine andere Welt.

Von diesen Überlegungen her bestimmen wir unser zukünftiges Handeln, insbesondere während der Jahre des Konzilsgedenkens 2012 -2015 und im Blick auf das 500-Jahr-Gedenken der Reformation 2017.