Geitzhaus/Lis: Befreiungstheologische Subjekttheorie

Texte Bild WebAmbivalente Subjekte – Befreiungstheologie und Nachfolgepraxis im Neoliberalismus

von Philipp Geitzhaus und Julia Lis

veröffentlicht in Gmainer-Pranzl, Franz/Lassak, Sandra/Weiler, Birgit (Hg.): Theologie der Befreiung heute. Herausforderungen – Transformationen – Impulse. Salzburger Theologische Studien 57, Innsbruck 2017, S. 155-174. Der Artikel steht auch unter der Rubrik „Texte“ als PDF zur Verfügung und hier: Geitzhaus Lis Ambivalente Subjekte

1. Befreiungstheologie aktuell

Die Zeit der großen kirchenpolitischen Auseinandersetzungen um die Befreiungstheologie, wie sie für die 1980er Jahre prägend war, scheint vorbei zu sein. Zum einen ist die Befreiungstheologie bei vielen in Vergessenheit geraten – so spielt sie ebenso wie die Neue Politische Theologie etwa innerhalb der universitären Landschaft im deutschsprachigen Raum nur noch eine marginale Rolle. Zum anderen sind – vielleicht auch durch diese Marginalität bedingt – die Auseinandersetzungen um die Befreiungstheologie weit weniger scharf geworden: auch außerhalb der kleinen Gruppe linker Christ_innen begegnet dem grundsätzlichen Anliegen einer Option für die Armen/Anderen oft eine breite Zustimmung. Die Einsicht, dass Christentum mit bewusster Weltgestaltung und -veränderung zu tun hat, ist in vielen kirchlichen Kreisen ebenso konsensfähig wie sie meist konsequenzenlos bleibt.1

Befreiungstheologie ist heute im deutschsprachigen Raum also weniger mit Anfeindungen als mit vorsichtigem Interesse konfrontiert, einem Interesse freilich, in das sich angesichts der frustrierenden Erfahrung der eigenen Marginalität der ehemaligen Volkskirchen und des Bedeutungsschwundes der eigenen Tradition, wie er hierzulande von vielen Christ_innen schmerzlich erlebt wird, oft die Sehnsucht nach einer lebendigen Kirche, die den Menschen noch etwas zu sagen hat, mischt. So entsteht die Projektion einer anderen, lateinamerikanischen Kirche: bunt, voller Leben, mit Basisgemeinden, in denen aktive Laien gemeinsam die Bibel lesen und sich sozial engagieren, in denen Liturgie und Spiritualität noch eine Alltagsrelevanz haben – und dieses Bild wird oft mit dem Stichwort „Befreiungstheologie“ assoziiert.

Aber auch das Erscheinungsbild der Befreiungstheologie oder besser gesagt, der Theologien, die heute in Anknüpfung an die Tradition der Befreiungstheologie sich als befreiende Theologien verstehen, ist ein anderes geworden. In ihrem Mittelpunkt steht heute die Wahrnehmung der vielen Kulturen und der zahlreichen Identitäten. Es geht also vermehrt, wie Victor Codina in diesem Band vorangestellten Beitrag konstatiert, nicht nur um sozioökonomische, sondern auch um kulturelle, religiöse, ökologische und Genderfragen. Und es tauchen neben „den Armen“ neue Subjekte der befreienden Theologien auf, die Option für die Armen wird erweitert um die Option für die Jugend, die Frauen, die Indigenen uvm. Damit geht der Anspruch einher, auch das betont Codina, eine neue Methodologie zu entwickeln, „die symbolischer und narrativer ist, gefühlsbetonter und zeugnishafter ist, weder androzentrisch noch eurozentrisch“2.

Um zu entscheiden, wie diese neuen Entwicklungen innerhalb der Befreiungstheologie zu beurteilen sind, inwiefern diese neue Möglichkeiten, Potentiale und Handlungsspielräume erschließen, wo aber auch ihre Begrenzungen und Gefahren liegen können, scheint es uns in einem ersten Schritt nötig, zu fragen mit welchen Bedingungen, in sozioökonomischer, kultureller wie kirchlicher Perspektive Befreiungstheologie heute konfrontiert ist. Auf dieser Grundlage sollen dann in einem zweiten Schritt Perspektiven für eine Befreiungstheologie aufgezeigt werden.

2. Unter neoliberalen Bedingungen

Der entscheidende, vorgegebene Rahmen, indem sich heute Theologie und überhaupt jegliche Praxis ereignen, ist unseres Erachtens der Neoliberalismus, bzw. der neoliberale Kapitalismus. Entscheidend scheint uns hierbei zu sein, dass dieser in seiner globalisierten Form sich nicht lediglich auf die Sphäre der Ökonomie auswirkt, sondern die ökonomischen, politischen und ideologischen Bedingungen vorgibt, unter denen Menschen auf dem ganzen Globus arbeiten, lieben, kämpfen, konsumieren, hungern, glauben, reisen, hoffen, Widerstand leisten usw. Damit deutet sich ein umfangreicher Bereich dessen an, was wir als neoliberal strukturiert verstehen. Im Folgenden gehen wir davon aus, dass es sich beim Neoliberalismus um mehr als eine Idee, sondern vielmehr um ein Rationalisierungsprinzip handelt, welches sich in zahlreichen gesellschaftlichen Bereichen vergegenständlicht und sich schon vergegenständlicht hat und dadurch diese Bereiche transformierte. Die Transformierungsprozesse reichen „vom Geldverhältnis über Arbeits- und Produktionsverhältnisse, Geschlechter- und Klassenverhältnisse bis hin zu staatlichen und raum-zeitlichen Verhältnissen.“3 Über den Neoliberalismus nachzudenken, meint also nicht nur eine Reflexion über die ökonomische Struktur von Produktion und Markt oder das Verhältnis der ökonomischen und der politischen Sphäre, sondern die neoliberale Struktur durchzieht auch den Bereich von Kultur oder Bildung, von Sexualität oder Religion.

Michel Foucault hatte den Liberalismus in den USA, der die Entwicklung zur Humankapitaltheorie und somit dem, was wir hier unter Neoliberalismus verstehen, markierte, bereits als „Seins- und Denkweise“4 bezeichnet. Der Neoliberalismus bezeichnet somit einen Paradigmenwechsel der politischen Ökonomie, es geht nicht mehr nur um die Untersuchung von Produktions- und Tauschmechanismen, sondern die Ökonomie bekommt als Aufgabe „die Analyse menschlichen Verhaltens und der inneren Rationalität dieses Verhaltens“5 zugewiesen.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei das neoliberale Verständnis von Arbeit und Humankapital. Der Lohn wird begriffen als Einkommen aus einem Kapital, das aus den physischen, psychologischen, intellektuellen usw. Fähigkeiten besteht, die jemandem ermöglichen, ein bestimmtes Einkommen zu erzielen. Diese Art von Kapital bleibt also untrennbar verbunden mit der Person, die es besitzt. Dadurch wird jeder, der für Lohn arbeitet, nicht mehr nur zum Anbieter seiner Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt, sondern zu einer Art eigenem Unternehmen. Die gesamte Gesellschaft wird dann als aus einzelnen Unternehmen bestehend begriffen. Der Mensch erscheint als Homo oeconomicus, aber nicht mehr im klassischen Sinne eines Tauschpartners, sondern eines Unternehmers seiner selbst.6

2.1. Das unternehmerische Selbst

Das Konzept des unternehmerischen Selbst wurde im deutschsprachigen Raum vor allem von Ulrich Bröckling im Anschluss an Foucault ausgearbeitet. Bröckling zeigt in seinen Analysen zum unternehmerischen Selbst auf, wie menschliches Handeln und Denken, das heißt die menschliche Praxis in einem sehr umfangreichen Sinne, auf unternehmerisches Handeln hin orientiert wird. „[Das] unternehmerische Selbst bildet den Fluchtpunkt jener Kraftlinien, die – unter anderem – in institutionellen Arrangements und administrativen Regelungen, in Arbeits- und Versicherungsverträgen, in Trainingsprogrammen und Theoriekonzepten, in medialen Inszenierungen und alltäglichen Performanzen wirksam sind. […] In der Figur des enterprising self verdichten sich also eine Vielzahl gegenwärtiger Subjektivierungsprogramme, deren gemeinsames Telos die Ausrichtung der gesamten Lebensführung auf unternehmerisches Handeln darstellt.“7 Das unternehmerische Selbst bezeichnet dabei keinen speziellen Sozialisationstyp und keine Gruppe existierender oder modellhafter Subjekte, sondern die „Weise, in der Individuen als Personen adressiert werden, und zugleich die Richtung, in der sie verändert werden und sich verändern sollen“8. Unternehmerisches Handeln wird in unterschiedlichen Einrichtungen und Programmen als Orientierung oder sogar als Norm behandelt. Es geht um „die Ausrichtung der gesamten Lebensführung am Verhaltensmodell der Entrepreneurship“9. Dieses umfasst alle Lebensbereiche, unterwirft sie dem Ökonomisierungsdruck und hebt somit eine Trennung von Erwerbsarbeit und Privatleben letztlich auf.10

Dabei soll die Selbststeuerung und Eigenverantwortung der Einzelnen gestärkt werden, um sie zu befähigen, ihre Angelegenheiten immer besser zu bewältigen, Ziele zu definieren und zu operationalisieren und die eigenen Bedürfnisse aus eigener Kraft zu befriedigen wie auch dabei auftretende Probleme zu überwinden und zu meistern.11 „Unternehmerisches Handeln ist Kontigenzmanagement, ökonomisches Kalkül, die Ausrichtung aller Aktivitäten auf die Verbesserung der Marktchancen. Von den gleichermaßen illusionären wie totalitären Utopien exakter Prognostik und Planbarkeit hat man sich verabschiedet, geblieben ist das Postulat permanenter Optimierung.“12 Diese Rationalität hat sich in den letzten Jahrzehnten über zahlreiche Instanzen auch auf die Individuen übertragen. Oder besser gesagt: Wenn der Markt tendenziell zur alles normierenden Instanz wird, sind auch alle Individuen mehr und mehr darauf angewiesen, sich in diesem Geschehen zu behaupten. Entscheidend ist, dass es nicht darum geht, fehlerfreie bzw., krisenfreie Situationen zu schaffen, sondern eine Rationalität zu entwickeln, die Krisen und Widersprüche bearbeiten kann. Diejenige, die in der Lage ist, möglichst adäquat Krisen zu meistern, sich also dem Marktgeschehen in seiner Kontingenz und Flexibilität anzupassen, wird sich auch behaupten können.

Es ist hierbei wichtig zu verstehen, dass das Konzept des unternehmerischen Selbst gerade keine simple „Gleichschaltung“ der Individuen meint, wie man sie aus manchen Distopien kennt. Im Gegenteil: Es ist geradezu Voraussetzung für den Erfolg des unternehmerischen Selbst möglichst individuell und einzigartig zu sein. Genauso wie ein Auto oder ein Schuh seine Neu- und Einzigartigkeit unter Beweis stellen muss, sollen auch die Menschen sich selbst mit ihren Einzigartigkeiten, bzw. als Einzigartigkeiten verkaufen. Diese Individualität ist also integrer Bestandteil des Humankapitals, Teil des Unternehmens „Ich“. Die Individualität der Subjekte sprengt gerade nicht die Logik des Neoliberalismus, sondern ist deren Teil. Der Neoliberalismus setzt anders als es der Fordismus tat, nicht auf Disziplinierung, Uniformierung und Konformität, sondern verheißt „Freiheit, Individualität und Autonomie.“13 Diese Individualität ist aber zugleich dem Markt unterworfen, das eigene Humankapital mit den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Kompetenzen steht in Konkurrenz zu vielen anderen Unternehmen „Ich“. Distinktion von den Anderen ist dabei Teil der Kreation einer unverwechselbaren Marke Ich und verschafft dadurch Wettbewerbsvorteile. Dazu muss das eigene Label aber eine Qualität aufweisen, die von potentiellen Kund_innen, seien sie Arbeitgeber_innen oder Beziehungspartner_innen, auch entsprechend anerkannt und honoriert wird.14

Damit entsteht ein komplexes Verhältnis von Normalisierung (alle werden an die Kontingenz des Marktes gebunden) und Individualisierung (jede_r muss besonders sein). Bröckling geht von einer Veränderung dieses komplexen Verhältnisses aus: „Das in den Subjektivitätstheorien der 80er und 90er Jahre verbreitete Schlagwort von der Patchwork-Identität wäre noch zu radikalisieren: Nicht einem Flickenteppich, der, einmal gewebt, sein Muster nicht mehr ändert, gleicht das unternehmerische Selbst, sondern einem Kaleidoskop, das bei jedem Schütteln ein neues Bild zeigt.“15 Worauf Bröckling hinweist, ist das hohe Maß von Flexibilität, von dem man ausgehen muss, wenn man sich heute mit dem Neoliberalismus und seinen Ausformungen auseinandersetzt. Damit einher geht der neoliberale Gedanke der Innovation, der als eine der am besten zu modifizierenden Voraussetzungen von Wachstum Investitionen ins Humankapital versteht.16 Das, was im Neoliberalismus (tendenziell) gefördert wird, sind gerade die Kapazitäten von Menschen, die ihr Humankapital steigern, also ihre Kreativität, ihr problemorientiertes Handeln, ihre Verantwortungsfähigkeit: „Das ideale Individuum wird nicht mehr an seiner Gefügigkeit gemessen, sondern an seiner Initiative.“17

Doch der Aufruf zur Kreativität und zur Verantwortungsbereitschaft ist gleichzeitig auch ein Zwang: Sei kreativ und präsentiere dich, mache dich zur Unternehmerin deiner Fähigkeiten und übernimm die Verantwortung für dein Gelingen oder dein Scheitern. Strukturell ist die sich daraus ergebende Anspannung, bedingt durch zum Teil widersprüchliche Ansprüche, durchaus gewollt: sie gilt als Triebfeder für einen fortgesetzten Selbstoptimierungsprozess, der niemals zum Ende kommen soll. Im Hintergrund steht dabei der Mechanismus der Konkurrenz: wer sich auf dem Erreichten ausruht, wird bald den Anschluss verpasst haben.18

Katja Strobel19 hat diesen Prozess der geforderten Verantwortungsübernahme, welcher durch Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre in der BRD durchgeführt wurde (Agenda 2010), ausführlich analysiert und die damit verbundenen theologischen Problemstellungen herausgestellt. Strobel konstatiert, dass sich zwar in Arbeitsprozessen einerseits „[die Handlungsfähigkeit] flexibilisiert und vervielfältigt […], andererseits fallen handlungsleitende Strukturen weg und zwingen so Individuen immer mehr, ihr eigenes Handeln selbst zu strukturieren. Die Anforderungen an Selbstorganisation und Selbstregulierung der Einzelnen steigen.“20 Dies gilt in besonderer Weise für Frauen, die immer noch im großen Maße Sorgearbeit zusätzlich zu einer Lohnarbeit übernehmen (müssen).21 Das Abnehmen von Regulierung und äußerer Disziplin macht immer mehr die Einzelne zur Alleinverantwortlichen für ihr Handeln.22 Jede Person steht von der permanenten Aufgabe, alles zu wählen und zu entscheiden.23 So bedeutet das unternehmerische Selbst, das ökonomisch ausgerichtete Subjekt, für die meisten Menschen einen „Zwang zu Freiheit und Verantwortung“, eine Freiheit und Verantwortung, die letztendlich nicht tragbar sind.

2.2 Subjekte und Prozesse der Subjektivierung

Jeder Prozess der Subjektivierung ist ein paradoxer Vorgang. Denn Subjekte existieren nicht einfach, sie werden durch bestimmte Praktiken konstruiert, durch bestimmte Praktiken ins Leben gerufen. Solche Praktiken lassen sich als Subjektivierung bezeichnen. Der Akt der Subjektivierung setzt aber zugleich voraus, dass bereits ein Subjekt konstituiert ist, das diesen Akt vollziehen kann.24 In diesem Sinne lässt sich auch nicht bloß von Subjekten sprechen, die irgendwann fertig sind, sondern Subjekte befinden sich immer in einem Prozess der Subjektivierung, das heißt im Prozess ihrer Konstitution. Das Subjekt ist für Foucault – sowie für Bröckling – ein Individuum, welches durch bestimmte gesellschaftliche Praktiken an eine bestimmte Identität, oder ein Konglomerat von Identitäten, gebunden wird. Ein Subjekt, in dieser theoretischen Traditionslinie, entsteht als Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse (Marx)25. Damit ein Individuum zu seiner Verwirklichung gelangt, müssen deshalb die gesellschaftlichen Verhältnisse beeinflusst, bzw. verändert werden, statt an irgendeinen Kern, eine Essenz im Individuum zu appellieren. Wenn das Subjekt also von den gesellschaftlichen Bedingungen bestimmt wird, dann hat Subjektivierung grundlegend mit Machtrelationen zu tun: Zum einen ist das Subjekt immer Effekt von Machtinterventionen, zum anderen kann Macht nur über Subjekte ausgeübt werden, die nicht vollständig determiniert gedacht werden.26 Subjektivierung ist also immer bereits ambivalent: zum einen meint sie die Unterwerfung durch Kontrolle und Abhängigkeit, zum anderen das Hervorbringen von Handlungsfähigkeit durch das Erlangen von Bewusstsein und Identität.27 Das heißt, dass man sich von der Vorstellung von statischer Herrschaft und der vollen Kontrolle verabschieden muss.

Herrschaft wird im Neoliberalismus nicht mehr vor allem extern ausgeübt, sie wird von den Subjekten internalisiert. Innerhalb eines Subjektivierungsprozesses, der auf das Hervorbringen des unternehmerischen Selbst ausgerichtet ist, arbeitet das Subjekt an seiner Selbstoptimierung, unterstützt von professionellen Berater_innen. Diese Selbststeuerung ereignet sich aber nicht im luftleeren Raum, sondern unter gesellschaftlich erzeugten Bedingungen als Ergebnis immanenter Steuerungsprozesse, die diskursiv hervorgebracht werden.28 Die Subjektivierungsform des unternehmerischen Selbst knüpft also anders als klassische Vorstellungen des Menschen als Homo oeconomicus nicht an der Annahme an, Subjekte handelten bereits von Natur aus rational wirtschaftlich, sondern bringt durch den permanenten Subjektivierungsprozess das unternehmerisch handelnde Subjekt erst hervor und aktiviert es.29

3. Vereinnahmung von Kritik und Widerstand

Die Problematik dieser Form der Subjektivierung, der Konstruktion unternehmerischer Rationalität, betrifft insbesondere die Möglichkeit, ein kritisches Verhältnis zum bzw. eine mehr oder weniger organisierte Widerständigkeit dem Neoliberalismus gegenüber einzunehmen und zu entwickeln. Widerstände stehen heute vor der Schwierigkeit auf Grund der flexiblen Struktur des Neoliberalismus in diesen einerseits „von außen“ wieder integriert zu werden, andererseits sich selbst auf den Markt und seine Bedingungen hin zu orientieren. Die Re-Integration von außen geschieht sogar häufig gar nicht repressiv, wie man es von zahlreichen Bekämpfungen des Engagements von Gewerkschaften oder sozialen Bewegungen usw. „gewohnt“ ist, obgleich dieses Phänomen im Neoliberalismus weiterhin bestehen bleibt. Die Re-Integration in den Markt und damit in den Neoliberalismus wird durch die Vermarktung von Widerständigkeit sowie durch die Übernahme unternehmerischer (kundenorientierter) Rationalität praktiziert. Dies gilt insbesondere für die Formen von Widerständigkeit, die sich über eine oder mehrere bestimmte Identität(en) definieren. Heute existieren zahlreiche Proteste, die eine bestimmte Identität betonen, um ihre Unterdrückung seitens bestimmter Strukturen oder Personen aufzudecken oder aber um anzuzeigen, dass sie sich durch bestimmte Strukturen nicht repräsentiert sehen (wollen). Doch gerade diese Betonung von Identitäten ermöglicht es, daraus wieder „Marken“ zu schaffen. Man könnte vorsichtig sagen, dass Identitäten, je differenzierter sie sind, für den Markt „wie geschaffen sind“, denn sie heben Besonderheiten, Alleinstellungsmerkmale und damit vor allem Individuierungsprozesse hervor. Nach Alain Badiou, im Anschluss an Gilles Deleuze, gilt: „Die kapitalistische Logik des allgemeinen Äquivalents und die identitäre und kulturelle Logik von Gemeinschaften oder der Minderheiten bilden zusammen eine artikulierte Menge.“30 Das heißt, dass diese identitären Singularitäten für eine kapitalistische Logik, die immer neue Produkte und neue Märkte braucht, das passende Gegenstück darstellen.

Dieser Prozess wird durch neue Unternehmensformen und ihre Managementkonzepte begleitet. „Markierte die Subjektivität in den traditionellen gewerkschaftlichen oder linksradikalen Diskursen den point de resistance gegen »entfremdende« Arbeitsverhältnisse, so machen Managementkonzepte […] daraus eine sozialtechnologisch zu erschließende Ressource.“31 Die Frage ist, wie Autonomie, Kreativität, Singularität oder Gruppenarbeit für Produktionsprozesse und für Konsumzwecke nutzbar gemacht werden können. Es gilt das Prinzip, je individueller die Menschen, desto individueller müssen die Produkte werden. In einem bestimmten Maß aus der Norm zu fallen, wird paradoxerweise zur Pflicht. Widerständiges Handeln lässt sich zum Beispiel als Führungsqualität oder als Bruch mit dem schon Bekannten interpretieren und dadurch in den Markt re-integrieren.

Das heißt, dass heute eine Widerständigkeit, auch eine, der es gelingt, in einem bestimmten Maß, der unternehmerischen Selbstregierung nicht zu unterliegen, der Gefahr ausgesetzt ist, der gewünschten pluralen Gleichgültigkeit des Neoliberalismus wieder zu entsprechen. Herrschaft kann im Neoliberalismus nicht mehr statisch verstanden werden. Neoliberale Herrschaft drückt sich gerade durch ihre Dynamik aus, oder besser gesagt in ihrer Kooperations- und Integrationsfähigkeit. „Die Grenzen zwischen Kritik und Affirmation verschwimmen, wenn Nonkonformismus zur Norm und jeder Einspruch als kybernetische Rückkopplung eingebaut wird, die Anpassungsbedarf signalisiert und flexibles Aussteuern ermöglicht.“32

Auch wenn der Siegeszug des Neoliberalismus eine Geschichte von Gewalt und Repression bedeutet und seine Rationalität einerseits durch (erheblichen) Zwang der Bevölkerung aufoktroyiert hat – Chile unter der Pinochet-Diktatur mag hier das bekannteste Beispiel sein – so basiert neoliberale Herrschaft – und das ist entscheidend – auch auf seiner Fähigkeit breite gesellschaftliche Zustimmung zu erzeugen: „Zu einer hegemonialen Gestalt konnte das unternehmerische Selbst […] vielmehr nur werden, weil sie an ein kollektives Begehren nach Autonomie, Selbstverwirklichung und nicht-entfremdeter Arbeit anschloss“33.

Neoliberale Herrschaft setzt gerade nicht auf die Ohnmacht der Einzelnen durch Entmündigung, sondern auf die Steigerung von Machtpotentialen der Machtlosen, zum Beispiel durch Techniken des Empowerments.34 Auch hier verbirgt sich allerdings wieder die Ambivalenz neoliberaler Autonomie: Die Entscheidung darüber, wer auf welche Weise aktiviert werden soll, ist selbst eine Form der Machtausübung.35 Zugleich wird das Problem nicht in der objektiv ungleichen Verteilung von Macht gesucht, sondern in den Subjekten selbst, deren Bewusstsein sich dahingehend ändern soll, dass sie fähig werden, das Ohnmachtsgefühl zu überwinden: Veränderung ist zuerst also immer Veränderung des Subjekts selbst. „An die Stelle eines Antagonismus von Mächtigen und Ohnmächtigen tritt ein synergetisches Modell, das Versöhnung und Ausgleich verheißt“36. Zugleich bleibt aber die in neoliberalen Kategorien gedachte Autonomie immer integriert in das „paradoxe Programm einer kontrollierten Autonomie“37. Das hängt damit zusammen, dass der Neoliberalismus nicht eine bestimmte Lösung für gesellschaftliche Widersprüche oder Krisen bietet. Nach Mario Candeias „ist nicht die Stilllegung oder Lösung von Widersprüchen [entscheidend], als vielmehr sie in einer Weise bearbeitbar zu machen, dass sie beherrschbar bleiben.“38

4. Hoffnung auf Befreiung?

Anliegen jeglicher Befreiungstheologie ist, biblisch gesprochen, die Verwirklichung des Gottesreiches. Das heißt ein Leben in Gleichheit und Freiheit für alle, das auch die Hoffnung der Toten nicht scheitern lässt.

Was bedeutet nun die hier dargestellte Problematik des Neoliberalismus, vor allem die Form des unternehmerischen Selbst, für eine solche Hoffnung auf Befreiung und damit auch für die Bedingungen heutiger Befreiungstheologie? Wie eingangs formuliert, muss eine auf das Reich Gottes orientierte Befreiungstheologie nach den Bedingungen fragen, unter denen heute emanzipatorisches Handeln, bzw. die Verwirklichung des Gottesreiches stattfindet und stattfinden kann. Welche Aspekte der gegenwärtigen Gesellschaft müssen dafür kritisiert werden? Wo kann Veränderung ansetzen? Wie lässt sich von Hoffnung auf Befreiung, auf ein Leben in Freiheit und Gleichheit so reden, dass Menschen beginnen, dieser Hoffnung Gestalt zu geben?

Dazu muss auch analysiert werden, inwiefern befreiende Theologien überhaupt ihrem befreienden Anspruch gerecht werden, auf welche Weise, es ihnen wenigstens gelingen kann, sich einer Re-Integration in die Logik des Marktes zu entziehen. Denn, wie oben aufgezeigt, kann nicht davon ausgegangen werden, dem Neoliberalismus automatisch durch (nicht nur vermeintlich!) praktizierte Widerständigkeit etwas entgegen zu setzen, wenn dieser sich gerade durch seine Integrationsfähigkeit alles Widerständigen auszeichnet.

Unter dieser Perspektive erscheint es notwendig einen genaueren Blick auf die in der heutigen befreienden Theologie vorherrschenden Diskurse zu werfen und zu fragen, mit welchen Herausforderungen mit Blick auf ihren Beitrag zum Prozess der Befreiung, sich diese unseres Erachtens konfrontiert sehen. Aktuelle befreiende Theologien zeichnen sich vor allem durch ihre Kritik an Universalismen einerseits und an der Betonung des Singulären andererseits aus. Die postkoloniale Theologin Pui-Ian Kwok formuliert in ihrem Buch Postcolonial Imagination & Feminist Theology diese Kritik pointiert in folgender Warnung: „Ich will niemanden dafür tadeln, dass er sich nach einem sinnvollen Ganzen sehnt, aber ich will vor der enormen Macht dieser Sehnsucht warnen – dieser Verlockung, Dinge zu einem einzigen, geeinten, scheinbar nahtlosen Ganzen zu formen.”39 Die Skepsis gegenüber dieser „Verlockung“ universalistischer Ideen und Praktiken ist nur allzu verständlich angesichts zahlreicher gescheiterter Großprojekte: Projekte, auch emanzipatorische, die nicht selten an ihrem repressiven Charakter „nach Innen“ ihre Bewahrheitung verfehlten. Das 20. Jahrhundert hält in dieser Hinsicht viele erschreckende Beispiele bereit. Aber auch im Kleinen, dort, wo es nicht um Terror und Repression, aber um das Übersehen der Anliegen von Frauen, Homosexuellen, Indigenen geht, offenbaren sich häufig die Grenzen eines emanzipatorischen Projekts.

Gute Gründe sprechen dafür, die Heterogenität, vielleicht sogar die Unvereinbarkeit, von Bewegungen, Identitäten und Unterdrückungen zu betonen. Die einen emanzipatorischen Bewegungen lassen sich nicht unmittelbar in andere überführen und auflösen. Der französische Philosoph Étienne Balibar, der intensiv das Verhältnis von Aufstand, Gewalt und Emanzipation analysiert, betont, dass es unter emanzipatorischen Bewegungen (auch mit dem Verweis auf irgendeine ideale Universalität) „keine prästabilisierte Harmonie geben kann.“ Denn „[es] gibt gegen die herrschende Universalität oder gegen das bestehende System der Politik keine spontane, gewissermaßen natürliche Front der »Ausgegrenzten« oder »Minoritäten«.“40 Es ist eine Sache, die „Option für die Armen“ theoretisch zu formulieren und zum hermeneutischen Prinzip werden zu lassen, eine andere ist es, der differenzierten Realität von Armut gerecht zu werden. In vielen Fällen ist der Begriff der Armut sogar fehl am Platz, weshalb die Befreiungstheologie anfing, von der Option für die Anderen oder der Option für die Marginalisierten zu sprechen. Doch müssen wir daraus folgern, dass der „realen Universalität“ (Balibar) des Neoliberalismus in seiner globalisierten und tendenziell alle Menschen individuierenden Form, nur durch partikulare Prozesse begegnet werden kann? Unterliegen nicht gerade diese partikularen, letztendlich fragmentierenden, Prozesse der Gefahr, in der Logik der Selbstvermarktung aufgehen zu müssen? Bzw. ist es nicht vor allem die Partikularität, die Widerstände in den Markt der diversen Produkte und Marken integrieren lässt und damit wiederum regierbar macht? Ist auf diesem Wege, beziehungsweise diesen vielen Wegen, dieser realen Universalität überhaupt zu begegnen oder muss man sich von der Idee einer umfangreichen Überwindung dieser Verhältnisse, das heißt der Hoffnung auf eine große Gerechtigkeit für alle, verabschieden? Balibar schlägt nicht diesen Weg ein. Die Tatsache, dass Widerstände prinzipiell heterogen sind, dass es keine „natürliche Front“ gibt, „bedeutet keineswegs, dass eine solche Einheit unter bestimmten Umständen nicht existieren kann. Sie muss eben hergestellt werden, und sie muss Gegenstand einer Entscheidung sein […].“41 Diese Entscheidung ist vor allem eine, die auf der Annahme beruht, dass Solidarität, bzw. Geschwisterlichkeit, möglich ist, und zwar eine Solidarität, die auf der Möglichkeit aufbaut, dass Grenzen, Identitäten und jeweils einzigartige Unterdrückungen (Leiden) überschritten werden können; dass also Verbindungen trotz existierender Heterogenität möglich sind. Es stellt sich dementsprechend, so Balibar, „[mit] aller Schärfe […] die Frage, wie sich der Widerstand universalisieren lässt, ohne dass dadurch die Vorstellung der Identitäten als exklusiver Alterität, vom System unablässig reproduziert und ausgenutzt, gefestigt und sanktioniert wird.“42 Für eine befreiende Theologie heißt das, nicht der Logik der Fragmentierung zu folgen, die, ob intendiert oder nicht, heute faktisch als Grundlage des Neoliberalismus funktioniert, sondern vielmehr zu erarbeiten, inwiefern Solidarität, dass heißt inwiefern ein „Universalismus von unten“, der sich einer neoliberalen Globalisierung entgegenstellt, möglich ist.43

Doch wie lässt sich sinnvoll von einer Universalität sprechen? Für Balibar stellen die Prinzipien von Freiheit und Gleichheit die Orientierung für emanzipatorische Projekte dar. Beide Prinzipien müssen aber als Einheit verstanden werden: Freiheit ist nur unter der Bedingung von Gleichheit möglich und umgekehrt, Gleichheit lässt sich nur in Freiheit verwirklichen, so dass die Negation des einen, automatisch auch das andere verhindert. Die Verbindung der beiden Prinzipien ist auch deshalb unbedingt zu beachten, da heute beide, vor allem das Prinzip der Freiheit als pervertiertes den Menschen abverlangt werden. Insofern sind beide Prinzipien, wenn sie nicht näher bestimmt werden, heute alles andere als eindeutig. Um diese Einheit begrifflich auszudrücken, verwendet Balibar den Neologismus der Gleichfreiheit (frz.: égaliberté).44 Diese Gleichfreiheit kann nur beansprucht und errungen, nicht aber gewährt werden. Sie lässt sich nur durch ihre Träger bewahrheiten. In ihrer Struktur ist die Gleichfreiheit aber nur als universale denkbar. Wenn die Gültigkeit von Freiheit und Gleichheit nicht prinzipiell für alle (und prinzipiell von allen) Menschen beansprucht wird, negiert sie sich automatisch selbst. Balibar fasst folgendermaßen zusammen: „Natürlich sind Gleichheits- und Freiheitsrechte individuelle Rechte – ihre Träger und Kläger können nur Individuen sein. Doch ist die doppelte Aufhebung von Zwangsgewalt und Diskriminierung (was wir Emanzipation nennen können) immer ein eindeutig kollektiver Prozess. Er kann sich nur vollziehen, wenn zahlreiche (potentiell alle) Individuen ihre Kräfte gegen Unterdrückung, soziale Hierarchien und Ungleichheiten vereinigen. Mit anderen Worten: Freiheit und Gleichheit können den Menschen nie gewährt oder gegeben werden; sie lassen sich nur erringen.“45

5. Und die Theologie?

Aus dieser Perspektive ergibt sich an eine Theologie, die die Hoffnung auf Befreiung nicht aufgegeben hat, noch aufgeben kann, ohne ihrer fundamentalen Orientierung aufs Reich Gottes hin untreu zu werden, die Frage, wie sie angesichts der Bedingungen des Neoliberalismus von dieser Hoffnung sprechen, ihr Gestalt verleihen kann, und zwar so, dass die Kritik, die hier geübt wird, nicht zu leicht neoliberal integrierbar ist. Stattdessen stellt sich die Herausforderung, eine echte Alternative zur neoliberalen Logik zu entwickeln. Wie kann Nachfolge – in ihrer mystisch-politischen Doppelstruktur (Metz) – im Neoliberalismus wirksam werden? Was können Basiskategorien sein, mit denen heute theologisch sinnvoll gearbeitet werden kann? Und wie lässt sich eine theologische Subjektwerdung denken, die auf andere als unternehmerische Subjekte gerichtet bleibt?

Eine Voraussetzung scheint dazu die enthüllende Dimension theologischer Rede zu sein: Theologie, im Sinne einer christlichen, biblisch fundierten Theologie, beginnt so mit der Religions- und Ideologiekritik. Sie hinterfragt die gängigen religiösen, wirtschaftlichen und politischen Deutungen und Erklärungsmuster dahingehend, dass sie zu erkennen versucht, wer oder was als Gott, im Sinne letzter Verbindlichkeit oder des Prinzips, auf dem eine bestimmte Ordnung beruht, funktioniert.46 Sie enttarnt so die Interessen, die hinter ideologischen wie religiösen Festlegungen stehen. Um also real dem Leben in Freiheit und Gleichheit näher zu kommen, müssen zuerst die Mechanismen aufgedeckt werden, die ein solches Leben verhindern und oft religiös und ideologisch verschleiert werden. Dazu konfrontiert Theologie die herrschenden Zustände mit ihrer Schattenseite, indem sie sich weigert, das Leiden, das durch sie verursacht wird, zu verschweigen. Denn Leiden, vor allem in seiner unmittelbar somatischen Form (körperliches Leiden), bezeugt immer die Unvollkommenheit oder sogar das Scheitern des Bestehenden.47

Damit, ein solches Scheitern festzustellen, kann sich eine als emanzipatorisch verstehende Theologie nicht zufriedengeben, ohne sich den Vorwurf machen lassen zu müssen, vor dem Bestehenden zu kapitulieren oder seine Realität zu verdrängen. Deshalb bleibt die vor knapp 40 Jahren von Johann Baptist Metz vorgenommene Definition der Neuen Politischen Theologie als die Apologie einer Hoffnung, die Hoffnung auf den Gott der Lebenden und der Toten, auf eine universale Erlösung, heute weiterhin aktuell.48 Vielleicht gilt sie heute mehr denn je. Metz beschäftigte das Subjekt in seiner bürgerlichen, individualisierten Form. Das Subjekt, so seine Kritik an der herkömmlichen Theologie, wird nur in seinem Ich-Du-Verhältnis gesehen, nicht aber in seiner gesellschaftlichen Verfasstheit des Spät-Kapitalismus. Mit dem Verweis auf Max Horkheimer und Theodor W. Adorno wies Metz auf die Dialektik der Aufklärung, die unter anderem eine Kritik am Fortschrittsoptimismus darstellte, und ihre Bedeutung für die Theologie hin. Zugleich ging es aber darum, den Begriff des Subjekts nicht aufzugeben, sondern ihn politisch-theologisch mit dem Ziel neu zu definieren, dass alle Menschen solidarisch Subjekt werden vor Gott. Dazu erarbeitete Metz drei miteinander verwobene Basiskategorien: Die Erinnerung, die Erzählung und die Solidarität, bzw. die gefährliche Erinnerung im Sinne einer Solidarität „nach rückwärts“, die Erzählung vergangener Leidens- und Befreiungsgeschichten sowie die Solidarität, als universale Nächsten-, Fernsten- und Feindesliebe.49 Später werden diese Kategorien durch die der „Compassion“ erweitert.50 Diese politisch-theologischen Basiskategorien können als Versuch einer Intervention, als gefährlicher „Stachel“, in das spätkapitalistische Bewusstsein (nicht nur der Theologie!) interpretiert werden. „‚Gefährlich‘ heißt in diesem Zusammenhang, dass der Status quo gefährdet ist, weil Veränderung greifbar wird, und dass Möglichkeiten der Veränderung durch die Erinnerung an Leiden, aber auch an Befreiungsgeschichten aufscheinen“51, wie Strobel treffend spezifiziert. Am radikalsten (und konsequentesten!) wird dieses Verständnis von der Funktion der Theologie wahrscheinlich von Dietrich Bonhoeffer ausgedrückt, der die Neue Politische Theologie in Vielem inspirierte, wenn er die Theologie provokativ als „Kampfmittel“52 begreift.

Unseres Erachtens entfalten diese Kategorien angesichts der veränderten Bedingungen des Neoliberalismus in besonderer Weise ihre Bedeutung. Sie sind es, die begrifflich Perspektiven gegen die Individualisierung und Entsolidarisierung aufzeigen, und zwar räumlich (geografisch), wie auch zeitlich (historisch). Es sind Kategorien, die jegliches „Funktionieren“ im Kontingenzraum „Markt“ in Frage stellen und die Richtung eines anderen Wegs aufzeigen. Nachfolge und die Verweigerung dem Neoliberalismus gegenüber wird eben nicht wieder in möglichst individuellen „Marken“ bzw. Identitäten formuliert, sondern in seinen relationalen, dependenten und vor allem tendenziell universalisierenden Dimensionen.

6. Fazit: Ambivalente Subjekte – Neoliberale Subjektivierung und Theologie als Denken einer Subjektwerdung aller

Was wir im ersten Teil dieses Beitrags präsentiert haben, betrachten wir selbstverständlich nicht als vollständige Darstellung und Problematisierung dessen, was unter Neoliberalismus verstanden werden kann und selbstverständlich noch weniger, was sich über „den Zustand der Welt“ sagen lässt. Die epistemologische Verschiebung von der Disziplinierung zur tendenziellen Förderung von Kreativität (zum Kreativitätszwang) bedeutet, für die aller wenigsten Menschen eine Verbesserung ihrer Lebenssituationen. Im Gegenteil. Das Ergebnis dieser Prozesse lässt sich als desaströs bezeichnen. José Antonio Zamora spricht deshalb vom viktimisierenden Charakter des Neoliberalismus, von einem System, welches soziales Leiden [sp.: sufrimiento social] bzw. soziale Viktimisierung [sp.: victimación social] in massivem Ausmaß erzeugt.53 Die Förderung, oder besser, die Forderung des Individuums hat außerdem zu einer aufoktroyierten Verantwortungsübernahme geführt, die für die meisten psychisch und materiell (finanziell) nicht tragbar ist. Auf Grund dieser äußerst schwierigen Lebensbedingungen gehen weltweit zahlreiche Menschen auf die Straße.54 Ob in Santiago de Chile gegen die herrschende Bildungspolitik, in Rio de Janeiro gegen die Fußballweltmeisterschaft oder in Frankfurt gegen die Austeritätspolitik der Troika (Blockupyproteste), an vielen Orten artikuliert sich Widerstand gegen diese Ökonomisierung und die damit einhergehende Zerstörung des Lebens. Einige Theoretiker_innen, wie Thomas Seibert oder Silvia Federici55, sprechen deshalb auch von der Bewegung der Bewegungen. Damit ist die Bewusstwerdung der Gemeinsamkeiten unterschiedlicher Widerstände in unterschiedlichen Kontexten und Weltregionen gemeint. Die Frage nach den Subjekten des Widerstandes, aber auch nach dem, was ihre Partikularität überwinden kann, stellt sich unserer Ansicht nach heute mit erneuter Dringlichkeit.

So ergibt sich auch für unseren Beitrag die Fokussierung auf das Thema ambivalenter Subjektivierungsprozesse. Das Anliegen unseres Beitrags war es, die Schwierigkeiten, mit denen heute Widerständigkeit und damit auch befreiende Theologien seitens der Logik des Neoliberalismus konfrontiert sind, zu beleuchten und ihre Verbindung mit dem Problem der Subjektivierung aufzuzeigen. Das Problem, wie wir meinen, besteht nicht einfach darin, dass es keinen Widerstand, keine Subjekte der bewussten emanzipatorischen Weltveränderung gäbe. Diese gibt es (wenn auch nicht im Überfluss). Vielmehr besteht die Logik des Neoliberalismus gerade darin, diese Widerstände bearbeitbar zu machen, und zwar auf die selbe Weise, wie Widersprüche und Krisen durch entsprechendes Management bearbeitbar gemacht werden. Dadurch werden nicht notwendigerweise Krisen (ob global oder persönlich) gelöst, sondern als Herausforderung interpretiert, die es, im Sinne des oben genannten Kontigenzmangements, bestmöglich zu meistern gilt. Diese Rationalitätsform wird jedoch nicht nur in Institutionen oder Unternehmen eingeübt, sondern auch den Individuen abverlangt.56 Dieser Prozess lässt sich auch nicht nur auf Arbeitsverhältnisse reduzieren, obgleich er hier besonders stark ausgeprägt ist, sondern die Rationalitätsform hat mittlerweile viele gesellschaftliche Bereiche in verschiedenen Weltregionen durchdrungen. Wenn wir heute über Widerständigkeit und Kritik und damit auch über die Möglichkeit von Befreiungstheologie, vielleicht sogar über die Subjektwerdung vor Gott – unter neoliberalen Bedingungen – nachdenken, müssen wir also eine Ambivalenz dieser Subjekte konstatieren. Insofern Subjektivität zu einem zentralen Scharnier oder besser gesagt: zu einem Produkt und zu einer Produktionsbedingung im Neoliberalismus geworden ist, muss der Subjektivierungsprozess mitbedacht werden, wo von Widerstand, Kritik und auch der Subjektwerdung vor Gott gesprochen wird. Die Rolle, die Subjektivität heute im Neoliberalismus spielt, die Ambivalenz, die tendenziell jede widerständige Subjektivität betrifft (einerseits schöpferisch und verantwortungsfähig im Sinne einer emanzipatorischen Intuition zu sein, andererseits der Erwartung zu entsprechen, schöpferisch und verantwortungsfähig zu agieren), stellt sich damit als vielleicht eine der größten Schwierigkeiten einer Befreiung aus diesen Verhältnissen heraus.

Dies darf – so meinen wir – nicht folgenlos bleiben, für die Methodologie wie die Inhalte einer heutigen Befreiungstheologie. Eine Befreiungstheologie steht dementsprechend vor der Herausforderung einerseits ihre eigene Verstrickung und ihre eigene Ausrichtung auf diese Prozesse hin zu reflektieren sowie theoretische und theologische Kategorien und Methoden zu erarbeiten, die diese Ökonomisierungsprozesse kritisieren können; Kategorien, mit denen eine Befreiungstheologie in der Lage sein kann, Moment in der Verwirklichung des Gottesreiches (Ellacuría) zu werden. Skeptisch sind wir gegenüber sich als befreiend verstehende Theologien, die sich vor allem durch ihre „Neuheit“, „Kreativität“ und „Innovation“ definieren und das mit der Aktualität einer Theorie verwechseln. Begegnet diese Denkfigur nicht häufig auch im theologischen Diskurs in Form des Belächelns der „ersten Generation“ der Befreiungstheologie sowie ihrer Rezipienten auf Grund ihres vermeintlichen Anachronismus? Doch sind die Grundfragen der 1960er oder 1970er schon abgegolten und „geklärt“; also die Frage nach der Möglichkeit von Erlösung, nach dem Verhältnis vom Handeln Gottes und dem der Menschen bzw. der Befreiungsbewegungen, nach der Funktion von Theologie, usw.? Wir meinen, dass diese „alten“ Fragen, vor allem, wenn sie das Ganze betreffen, heute mehr denn je „an der Zeit“ sind. Jedoch – wie hier aufgezeigt – unter veränderten Bedingungen. Denn solange sich Erlösung nicht für alle bewahrheitet (hat), bleiben diese Fragen aktuell, unabhängig davon wie oft sie schon gestellt wurden. Die gleiche Skepsis gilt den Theologien, die sich den theoretischen Auflösungsbewegungen verschrieben haben, entweder aktiv als Lob der kleinen Projekte oder resignativ als Kapitulation vor der Komplexität und Brutalität des Neoliberalismus, wo Theologie nur noch sinnvoll als „Trauerarbeit“ betrieben werden kann.57 Als dritte Variante aktueller (befreiungs)theologischer Tendenzen ließen sich Denkbewegungen ausmachen, die im Grunde das Konzept der neoliberalen Verantwortungsübernahme auf die Theologie bzw. auf ihr Subjekt übertragen. Dies geschieht dort, wo mehr oder weniger auf die Analyse der Verstrickung in die Verhältnisse verzichtet und stattdessen der Fokus auf die „eigene“ Schuld und Verantwortung gelegt wird ohne diese Verhältnisse in ihrer Komplexität miteinzubeziehen.

Eine Befreiungstheologie, die an der Zeit ist, steht vor der Aufgabe einerseits die Verhältnisse, in denen Theologie betrieben wird, zu analysieren und auf ihre entwürdigenden Strukturen hin zu kritisieren, und andererseits auf Grundlage dieser Analyse die Möglichkeit und Notwendigkeit der Subjektwerdung aller vor Gott herauszuarbeiten, einzufordern aber auch ihre Schwierigkeiten zu problematisieren. Vor der Re-Integration in den Markt der Theorieproduktion bleibt auch eine solche Befreiungstheologie natürlich nicht gefeit. Ein sicheres Rezept für gelingende (theologische) Theorie und (christliche) Praxis gibt es nicht und es wäre naiv, wenn nicht sogar zynisch, allzu schnell diese Möglichkeit zu behaupten angesichts der herrschenden Verhältnisse. Es lassen sich jedoch Bedingungen aufzeigen, ohne die ein solcher Weg der Befreiung nicht eingeschlagen werden kann. In diesem Beitrag wurden vor allem die Schwierigkeiten und Paradoxien heutiger emanzipatorischer Subjektwerdung und Befreiungstheologie herausgearbeitet, wurde auf die Fragilität von Befreiungsprozessen hingewiesen. Damit soll an der Hoffnung, an der Forderung nach der solidarischen Subjektwerdung aller, die auch die Hoffnung und Forderungen der Toten miteinbezieht, festgehalten und diese in das Handgemenge konkreter Bewegung gestellt werden.

LITERATUR

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Die AutorInnen:

Philipp Geitzhaus ist Mitarbeiter am Institut für Theologie und Politik und studiert(e) katholische Theologie und Philosophie in Bonn, Madrid und Münster. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Neue Politische Theologie, Kirche der Armen, Poststrukturalismus. Zuletzt herausgegeben zusammen mit Julia Lis und Michael Ramminger: Auf den Spuren einer Kirche der Armen. Zukunft und Orte befreienden Christentums, Münster 2017.

Dr. Julia Lis ist Mitarbeiterin am Institut für Theologie und Politik und Mitbegründerin des Netzwerks Kirchenasyl Münster. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Kirchenasyl, Theologie im Kontext sozialer Bewegungen, Flucht und Migration, Kirche der Armen, Krisenproteste. Zuletzt herausgegeben zusammen mit Philipp Geitzhaus und Michael Ramminger: Auf den Spuren einer Kirche der Armen. Zukunft und Orte befreienden Christentums, Münster 2017.

1Der Pastoraltheologe Hermann Steinkamp stellt dies in ähnlicher Weise für den Einleitungssatz der Pastoralkonstitution des 2. Vatikanischen Konzils fest: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, insbesondere der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ (GS1). Steinkamp merkt dazu an: „Dieser Satz hat in Europa eine überaus breite, wenn auch leider folgenlose Zustimmung gefunden: dem angesichts unterschiedlichster theologischer Positionen und Pastoralkonzepte atemberaubenden Konsens steht das Faktum eher spärlicher Auswirkungen in der Praxis der katholischen Kirche in Deutschland gegenüber.“ Steinkamp, Hermann: Diakonie statt Pastoral. Ein überfälliger Perspektivenwechsel, Berlin 2012, 3.

2Vgl. den Beitrag von Victor Codina in diesem Band.

3Candeias, Mario: Konjunkturen des Neoliberalismus, in: Kaindl, Christina (Hg.): Subjekte im Neoliberalismus. Kritische Wissenschaften, Bd. 2, Marburg 2007, 10.

4Foucault, Michel: Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II, Frankfurt am Main 2006, 304.

5Ebd., 310.

6Vgl. Ebd., 310 – 314.

7Bröckling, Ulrich: Das unternehmerische Selbst und seine Geschlechter. Gender-Konstruktionen in Erfolgsratgebern, in: Leviathan 48, 179.

8Bröckling, Ulrich: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, Frankfurt am Main 2007, 46.

9Ebd., 47.

10Bröckling, Das unternehmerische Selbst, 48.

11Vgl. Ebd., 61.

12Bröckling, Ulrich: Totale Mobilmachung. Menschenführung im Qualitäts- und Selbstmanagement, in: Ders.,/ Krasmann, Susanne/ Lemke, Thomas (Hg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen, Frankfurt a. M. 62012, 134.

13Demirović, Alex: Krise des Subjekts. Perspektiven der Handlungsfähigkeit. Fragen an die kritische Theorie des Subjekts. In: Ders./ Kaindl, Christina/ Krovoza, Alfred: Das Subjekt. Zwischen Krise und Emanzipation. Münster 2010, 147 – 173, hier 147.

14Vgl. Bröckling: Das unternehmerische Selbst, 68.

15Bröckling: Das unternehmerische Selbst und seine Geschlechter, 183.

16Vgl. Foucault: Die Geburt der Biopolitik, 322f.

17Vgl. Ehrenberg, Alain: Das erschöpfte Selbst. Depression und Gesellschaft der Gegenwart, Frankfurt am Main 2008, 18.

18Vgl. Bröckling: Das unternehmerische Selbst, 71 f.

19Strobel, Katja: Zwischen Selbstbestimmung und Solidarität. Arbeit und Geschlechterverhältnisse im Neoliberalismus aus feministisch-befreiungstheologischer Perspektive, Münster 2012.

20Ebd., 197.

21Vgl. Ebd., 208. Das komplexe Verhältnis von patriarchalen und sexistischen Strukturen und der neoliberalen Subjektivität kann hier nur thematisiert werden und müsste an anderer Stelle ausführlicher untersucht werden.

22Vgl. Ehrenberg: Das erschöpfte Selbst, 220.

23Vgl. Ebd., 247

24Vgl. Bröckling: Das unternehmerische Selbst, 19.

25Vgl. Demirović, Alex: Das Wahr-Sagen des Marxismus: Foucault und Marx, in: PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Heft 151, 38. Jg., 2008, Nr. 2, 179-201, 186 f. Demirović zieht diese theoretische Traditionslinie von Marx über Adorno und Althusser zu Foucault.

26Vgl. Bröckling: Das unternehmerische Selbst, 20.

27Vgl. Ebd., 20.

28Vgl. Ebd., 32f.

29Vgl. Ebd., 60.

30Badiou, Alain: Paulus. Die Begründung des Universalismus, Zürich-Berlin 2009, 18.

31Bröckling: Totale Mobilmachung, 142.

32Bröckling: Das unternehmerische Selbst und seine Geschlechter, 176.

33Bröckling: Das unternehmerische Selbst, 58.

34Vgl. Ebd., 193.

35Vgl. Ebd., 193.

36Ebd., 193.

37Ebd., 63.

38Candeias, Mario: Konjunkturen des Neoliberalismus, 10. (Hervorhebung des Autors).

39Kwok, Pui-Ian: Postcolonial Imagination & Feminist Theology, Westminster 2005, 39. Zitiert nach Duggan, Joseph: Erkenntnistheoretische Diskrepanz . Zur Entkolonialisierung des postkolonialen theologischen „Kanons” , in Concilium 2013/2, 139.

40Balibar, Étienne: Der Schauplatz des Anderen. Formen der Gewalt und Grenzen der Zivilität, Hamburg 2006, 313.

41Ebd., 313 f.

42Ebd., 311.

43Vgl. Ramminger, Michael: Christliche Existenz heute: Die andere Globalisierung. Globalisierung als Krise des Kapitalismus, 12 – 24, in: Institut für Theologie und Politik (Hg.): In Bewegung denken. Politisch-theologische Anstöße für eine Globalisierung von unten. Norderstedt 2003. „Die Schwierigkeit liegt auf der Hand: Wie können die kulturell und politisch äußerst unterschiedlichen Erfahrungs- und Interessenshorizonte miteinander vermittelt und politisch produktiv gemacht werden? M.E. aber gibt es langfristig keine Alternative zu einer solchen „Globalisierung von Unten“, die das Fundament einer „Weltzivilgesellschaft“ wäre.“ (18).

44Vgl. Balibar, Étienne: Gleichfreiheit. Politische Essays, Frankfurt am Main 2012.

45Balibar: Der Schauplatz, 305.

46Vgl. Veerkamp, Ton: Autonomie und Egalität. Ökonomie, Politik und Ideologie in der Schrift, Berlin 1993, 101.

47Vgl. Zamora, José Antonio: Th. W. Adorno. Pensar contra la barbarie, Madrid 2004, 209 – 224.

48Vgl. Metz, Johann Baptist: Glaube in Geschichte und Gesellschaft, Mainz 21977, 3.

49Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Kategorien in der Theologie von Metz würde den Umfang der Arbeit sprengen und kann an dieser Stelle nicht stattfinden.

50Metz, Johann Baptist: Memoria passionis. Ein provozierendes Gedächtnis in pluralistischer Gesellschaft. In Zusammenarbeit mit Johann Reikerstorfer, Freiburg 2006 sowie Ramminger, Michael: Mitleid und Heimatlosigkeit. Zwei Basiskategorien einer Anerkennungshermeneutik, Luzern 1997.

51Strobel, Katja: Zwischen Selbstbestimmung und Solidarität, 97.

52Bonhoeffer, Dietrich, zitiert nach Peters, Tiemo Rainer: Mystik, Mythos, Metaphysik. Die Spur des vermissten Gottes, Mainz 1992, 15.

53Vgl. Zamora, José Antonio: Enfrentarse a la crisis desde la perspectiva de las víctimas, in: Fundación Foessa: 7. Informe sobre exclusión y desarrollo social en España, http://www.foessa2014.es/informe/uploaded/documentos_trabajo/23102014160123_3339.pdf, 10 – 14.

54Vgl. auch Lis, Julia: Aufruhr und Aufbruch. Zeichen der Zeit, in: Institut für Theologie und Politik (Hg.): „Anders Menschsein in einer anderen Kirche …“. Dokumentation und Weiterführung der Konziliaren Versammlung Frankfurt 2012. Werkbuch Nr. 2, Münster 2014, 9 – 13.

55Vgl. Seibert, Thomas: Krise und Ereignis. Siebenundzwanzig Thesen zum Kommunismus, Hamburg 2009. 111 – 115. Sowie Federici, Silvia: Aufstand aus der Küche, Reproduktionsarbeit im globalen Kapitalismus und die unvollendete feministische Revolution, Münster 2012. 70.

56Andreas Hellgermann zeigt diesen Prozess für das Schulwesen in Deutschland auf in: Ders.: Erziehung zur ‚Inkompetenz‘ – Messianisch-widerständiger Religionsunterricht statt neoliberaler Kompetenzgehirnwäsche. Arbeitspapier Nr. 2, herausgegeben vom Institut für Theologie und Politik, Münster 2013.

57Vgl. den sehr interessanten Ansatz von Veerkamp, Ton: Die Welt anders: Politische Geschichte der Großen Erzählung, Hamburg 22013, hier S. 14. Hier wird konsequent eine politische biblische Theologie ausbuchstabiert – freilich im Zeichen der Erinnerungsarbeit an ein politisch-theologisches Projekt, das sich nun nicht mehr erfüllen wird.