Ein Schritt vor und zwei zurück

Von Harold Segura (Direktoriumsmitglied der Baptistischen Union Lateinamerika (UBLA) und Visión Mundial Internacional)

Aparecida, 15. Mai 2007

Nach Meinung der Sachverständigen ist der heutige Tag, Dienstag, einer der wichtigsten Tage der Konferenz. Im Programm wird ein Blick auf die Beteiligung der Vorsitzenden der Bischofskonferenzen der verschiedenen lateinamerikanischen Länder und der Karibik geworfen. Jedem einzelnen (ich gebrauche keine inklusive Sprache, denn wie wir alle genau wissen, handelt es sich hierbei um eine männliche Hierarchie) stehen genau 7 Minuten zur Verfügung, die mit Hilfe einer Ampel von rotem und gelbem Licht gemessen werden. Wenn nach 7 Minuten das bedrohliche rote Licht erscheint schaltet sich das Mikrofon aus. Bereits Monseñor Carlos Aguiar Retes, Vorsitzender der Mexikanischen Bischofskonferenz erfuhr wie gnadenlos die Farben sind, als seine Rede plötzlich abgebrochen wurde, ohne dass er den letzten Satz zu Ende sprechen konnte.

Bis jetzt haben fünfzehn Bischöfe, obwohl noch einige Minuten der morgendlichen Sitzung ausstehen, in dieser Reihenfolge gesprochen: Carlos Aguiar Retes (México), José Francisco Ulloa (Costa Rica), Miguel Ángel Morán (El Salvador), Álvaro Leonel Ramazzini (Guatemala), Óscar Andrés Rodríguez Maradiaga(Honduras), Leopoldo José Brenes (Nicaragua), José Luis Lacunza (Panamá), Robert Kurtz (Antillas), Juan García Rodríguez (Kuba), Luis Kébreau (Haití), Roberto Octavio González (Puerto Rico), Ramón Benito De

La Rosa (Dominikanische Republik), Luis Augusto Castro (Kolumbien), Néstor Rafael Herrera (Ecuador), Julio Terrazas Sandoval (Bolivien). Ihre Reden sind nach dem gleichen Schema aufgebaut. Zuerst stellen sie einige statistische Daten der nationalen Bischofskonferenz vor, anschließend gehen sie auf die wesentlichsten Herausforderungen ein und am Schluß werden die wichtigsten Vorhaben erwähnt.

Und sie haben recht, wenn sie auf die Bedeutung des Tages verweisen, denn an diesem Tag werden die Themen festgelegt, die an den folgenden Tagen besprochen werden sollen. Das zusammenfassende Dokument ist ein Referenztext, genauso wie die Eröffnungsrede des Papstes. Aber die Themen, die in den einzelnen Kommissionen diskutiert werden, werden jetzt entschieden. Deshalb bittet der Vorsitzende Kardinal Francisco Javie Errázuriz (Chile) um Aufmerksamkeit bei den Beiträgen, um gemeinsame Themen und die Prioritäten, die geäußert werden, festzustellen.

Es gab verschiedene Übereinstimmungen bei den Themen, wie z.B. bedeutsame kulturelle Veränderungen und ihre Implikationen für die Pastoral, die chaotischen Auswirkungen des neoliberalen Modells und die zunehmende Armut, die Notwendigkeit einer Erneuerung der Katechese, die Verteidigung der Familie vor Bedrohungen wie Scheidung, Abtreibung, vorehelichen Beziehungen und Untreue. Es wiederholten sich noch andere Themen, aber besonders trat darunter die offene Angst der kirchlichen Würdenträger vor den immer größer werdenden nicht-katholischen religiösen Gruppen hervor. Immer wieder gebrauchten sie Ausdrücke wie „anti-katholischer Protestantismus“, „das attraktive Angebot der Sekten“, „der voranschreitende evangelische Proselytismus“, „das von den Pentekostalen und Neo-Pentekostalen gewonnene Territorium“ sowie den wohl am stärksten dequalifizierenden Ausdruck „die Invasion der synkretistischen Sekten“.

In der Pause näherte sich uns,Dr. Néstor Míguez und mir, eine der (mit Sicherheit sehr wenigen) anwesenden weiblichen Laien und bat um Entschuldigung für die anti-sektiererische Lawine dieser Sitzung. Auch Kardinal Errázuriz, bestätigte zu Beginn der zweiten Sitzung öffentlich, dass, wenn von Sekten gesprochen wurde, man nicht die traditionellen Protestanten meinte, auch nicht die anwesenden Evangelikalen und Pentekostalen. Gesten der Höflichkeit, für die man sich bedankt.

Aber wer hat das letzte Wort über die Ökumene in den offiziellen Erklärungen? Ich weiß es nicht. Benedikt XVI. hat protokollarische Vorlagen für eine Annäherung gegeben. Ebenso die Dokumente des Lehramtes (mit den erforderlichen Ausnahmen). Aber die Realität der Nationalen Bischofskonferenzen auf dieser Seite der Welt ist eine andere. Auf der anderen Seite erfreuen sich Begegnung und ökumenische Zusammenarbeit an der Basis, wo sie am wichtigsten sind, bester Gesundheit. Auf offizieller Ebene ist die Ökumene in Lateinamerika und der Karibik allerdings wieder etwas unterkühlt. Hoffentlich erholt sie sich noch vor dem Ende dieser Lateinamerikanischen Bischofskonferenz.

Bis dahin bleibt die Ampel der offiziellen Ökumene auf blinkendem Gelb stehen.

Übersetzung: Sandra Lassak