
Am 23. Oktober 2025 trafen VertreterInnen Sozialer Bewegungen aller Kontinente in Rom Papst Leo XIV. (siehe hierzu den Artikel von Vatican News). Wie bereits bei den beiden letzten Welttreffen 2016 und 2021 war das Institut für Theologie und Politik aus Münster als einzige Institution im deutschen Sprachraum beteiligt, diesmal vertreten durch Benedikt Kern und Julia Lis. Drei Tage lang tagte die Versammlung in einem besetzten Haus und diskutierte die Erfahrungen widerständiger Praxen in Bezug auf Landfragen, Wohnen, Arbeit, Migration, den Krieg in Gaza und die Krise der Demokratie.
„Mitten in Rom, in einem besetzten Haus, dass MigrantInnen und Geflüchteten ohne Perspektiven Gastfreundschaft gewährt diskutieren wir nun seit drei Tagen mit AktivistInnen, von Armut betroffenen, aber auch Priestern, Ordensleuten und Bischöfen darüber, wie soziale Bewegungen an einer gerechten Welt für alle arbeiten können, über Strategien und gemeinsame Visionen.“, so Dr. Julia Lis. „In Deutschland erleben wir eine etablierte Kirche, die viel mit Strukturreformen beschäftigt ist, aber wenig in Protestaktionen involviert ist. In diesem Kontext wäre ein solches Treffen, noch dazu in einem besetzten Haus, kaum vorstellbar. Das zeigt für uns, welche Umkehrprozesse in unserem deutschen Kontext noch notwendig sind.“
Der Papst stellt durch das Treffen und seine Ansprache eine klare Kontinuität zu den von Papst Franziskus angestoßenen Welttreffen der Sozialen Bewegungen her: „Wie mein Vorgänger Franziskus glaube ich, dass die richtigen Wege von der Peripherie zum Zentrum führen. Ihre zahlreichen kreativen Initiativen können zu neuen politischen Maßnahmen und sozialen Rechten führen. Ihr Streben ist legitim und notwendig.“ Offensichtlich möchte er diesen Prozess weiter in der Kirche verankern, wenn er sagt: „Ich möchte, dass Sie mich sagen hören: „Ich bin da!“, „Ich bin bei Ihnen.“ Das heutige Zusammenkommen mit Papst Leo war daher für die Teilnehmenden eine große Ermutigung dazu, die Kämpfe und Engagements fortzusetzen und nach dem Ausschau zu halten, was „das Neue“ in den sich verschärfenden Verhältnissen ist
Dr. Julia Lis: „Papst Leo hat sehr deutlich Position bezogen zur krisenhaften Gegenwart, er prangerte den neuen Extraktivismus im Namen vermeintlich nachhaltiger Technologien an, für die oft unter Anwendung von Gewalt auf Ressourcen Zugriff genommen wird.“
Auf die Bewegungen Bezug nehmend formulierte der Papst eine deutliche Kritik sozialen Medien, digitaler Technologien und einer Pharmaindustrie, die nicht im ganzheitlichen Sinne der Gesundheit diene, sondern auf Profite ausgerichtet sei.
Auch den inhumanen Umgang mit MigrantInnen hat Papst Leo mit deutlichen Worten kritisiert: „Der Missbrauch schutzbedürftiger Migranten ist keine legitime Ausübung nationaler Souveränität, sondern vielmehr ein schweres Verbrechen, das vom Staat begangen oder toleriert wird. Es werden immer unmenschlichere, ja sogar politisch gefeierte Maßnahmen ergriffen, um diese ‚Unerwünschten‘ wie Abfall und nicht wie Menschen zu behandeln. Das Christentum hingegen beruft sich auf den Gott der Liebe, der uns alle zu Brüdern und Schwestern macht und uns auffordert, als solche zu leben.“
Benedikt Kern: „Ich verstehe dieses eindeutige Eintreten des Papstes gegen die Inhumanität gegenüber MigrantInnen auch als Appell an die Kirche, hier an der Seite der Bewegungen zu sein, die sich für Geflüchtete und gegen deren Abweisung oder inhumane Abschiebung einsetzen. In Deutschland wäre ein Ansatzpunkt hierfür das Kirchenasyl, das weitaus mehr Unterstützung durch die Kirchenleitungen und Gemeinden erfahren müsste, um Schutzräume vor Abschiebungen zu eröffnen. Das Kirchenasyl lässt sich als eine Umsetzung jener Geschwisterlichkeit verstehen, von der der Papst spricht“
Dr. Julia Lis: „Wir erhoffen uns, dass das Welttreffen der Sozialen Bewegungen und auch die heutige Ansprache des Papstes in der Kirche in Deutschland wahr- und ernstgenommen wird, um aus einer Konzentration auf interne Probleme herauszukommen und stärker darauf zu schauen, welche gesellschaftlichen Missstände und Konflikte nach einer Intervention aus christlicher Perspektive verlangen und wie ChristInnen hier in welchen Bewegungen nach Verbündeten suchen können.“
Über die vergangenen Welttreffen hat das Institut für Theologie und Politik berichtet (https://www.itpol.de/10-jahre-welttreffen-der-sozialen-bewegungen/) und selbst auch teilgenommen. Benedikt Kern, Mitarbeiter des Instituts, hat 2018 hierzu sein Buch „Radikal Welt verändern – Papst Franziskus und die Sozialen Bewegungen“ (https://www.itpol.de/neu-benedikt-kern-radikal-welt-veraendern/) veröffentlicht.