Transzendenz in ihrer Bedeutung für Migrationskämpfe und Gesetzeskritik

Am 27. Mai 2025 fand ein gemeinsamer Studientages des Netzwerkes migrationscharta.ch und des Instituts für Theologie und Politik mit einem Erfahrungsaustausch, theologischer Reflexion und Diskussion zu Strategien in der Migrationspolitik in Zürich (CH) statt. Ein Schwerpunkt war die Frage danach, ob Kämpfe um Migration gerade deshalb so schwach sind im Moment, weil ihnen ein Verständnis von Transzendenz als Horizont fehlt? Wir dokumentieren hier die beiden Vorträge von Jacob Schädelin und Michael Ramminger:

Jacob Schädelin: Möglichkeit vor Wirklichkeit

Michael Ramminger: Transzendenz

Der Beitrag von Jacob Schädelin erklärt die unterschiedliche Sichtweise auf die Begriffe Wirklichkeit und Möglichkeit in der Bibel im Vergleich zur klassischen Philosophie, insbesondere zu Aristoteles. Während Aristoteles die Wirklichkeit (energeia) als primär ansieht und die Möglichkeit (dynamis) als deren Potenzial versteht, betrachtet die Bibel, insbesondere Paulus, die Möglichkeit als die treibende Kraft, die die Wirklichkeit erst hervorbringt. Paulus beschreibt Gottes Möglichkeit als vorgängig zur Wirklichkeit, selbst wenn diese nach menschlichen Maßstäben unmöglich erscheint. Hieraus könnte ein anderes Verständnis von Politik entstehen.

Michael Ramminger stellt in seinem Beitrag die These auf, dass die bürgerliche Gesellschaft den Glauben an ein Jenseits und Transzendenz weitgehend abgelehnt und sich auf Fortschrittsideen und die Selbstgenügsamkeit der Welt verlässt. Die gegenwärtigen Krisen wie Klimawandel, Kriege, die Unterdrückung von MigrantInnen und soziale Verwerfungen stellen diese Fortschrittsperspektive in Frage und zeigen, dass die Welt möglicherweise eine transzendente Dimension braucht, um sich selbst zu übersteigen und zu verändern. In der christlichen Tradition wird Transzendenz nicht als Flucht ins Jenseits verstanden, sondern als Öffnung für das Unbekannte und Nicht-Existierende – eine Perspektive, in der Politik nicht zur Verwaltung verkommt.