Offener Brief: KIRCHENASYL IST MENSCHENRECHTSSCHUTZ

Münster, den 18.02.2015

gedenkaktion
Gedenkaktion für tote Flüchtlinge im Mittelmeer

Sehr geehrter Herr Minister de Maizière,
als Christinnen und Christen wenden wir uns, empört über Ihre jüngsten Äußerungen zum Kirchenasyl, mit einem offenen Brief an Sie.
Wir sind darüber empört, dass Sie als amtierender Verfassungsminister „das Kirchenasyl prinzipiell und fundamental ablehnen“ und erklären, es gehe nicht, dass Kirchen sich eigenmächtig über Gesetze hinwegsetzten (Zitat laut DER SPIEGEL vom 31.01.2015).
Für ebenso skandalös halten wir die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dass Geflüchtete, die sich wegen drohender Abschiebung im Kirchenasyl befinden, als „untergetaucht“ oder „flüchtig“ eingestuft werden. Die wachsende Zahl von Kirchenasylen in Dublin III-Fällen ist ein Zeichen dafür, dass gegenwärtig Abschiebungen um jeden Preis vorgenommen werden und eine Einzelfallprüfung im Blick auf Härtefälle so gut wie nicht mehr stattfindet. Die derzeitige Zahl von 203 Kirchenasylen steht allerdings in keinem Verhältnis zu den 49 000 BAMF-Dublin-Prüffällen in 2014 (Quellen: Ausländerzentralregister (AZR)). Es ist außerdem zu Genüge bekannt, dass menschenrechtliche Standards nicht überall in Europa eingehalten werden. Flüchtlinge müssen in vielen Ländern der EU damit rechnen, obdachlos zu werden, inhaftiert oder misshandelt zu werden.
Gegen diese Anzeichen zunehmender Beschneidung unveräußerlicher Menschenrechte halten wir daran fest:

  • Die christlichen Kirchen haben die Pflicht, bedrohtes Leben zu verteidigen und besonders für all jene einzustehen, die unter ungerechten Strukturen leiden. Dazu gehören in Deutschland besonders Geflüchtete, die in der Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben die Gefahren und Strapazen der Flucht auf sich genommen haben.
  • Der Schutz von Fremden und Geflüchteten gehört von Anfang an zur Praxis der christlichen Gemeinden: „Fremdling war Ich, und ihr habt mich aufgenommen“ (Mt 25,35).
  • Flüchtlingsschutz ist auch Menschenrechtspolitik.
  • Kirchenasyl ist und bleibt ein Instrument der Menschenrechtsarbeit. Es setzt das Recht auf Leben und körperliche Unversehrheit über das positive Recht und macht auf gravierende Mängel im Flüchtlingsrecht aufmerksam.
  • Die Kirchenasyle machen deutlich, dass eine an menschenrechtlichen Standards orientierte Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa dringend erforderlich ist.

Deshalb werden wir

  • die Kirchengemeinden, die bereits Asyl gewähren, darin bestärken, ihrem Auftrag gegenüber Marginalisierten gerecht zu werden, und nicht zuzulassen, dass das Kirchenasyl in Frage gestellt oder diffamiert wird.
  • weitere Kirchengemeinden und die Kirchenleitungen aufrufen, „jetzt erst recht” Kirchenasyle einzurichten, um dem enger werdenden Griff der Asylpolitik in Deutschland prophetischen Widerstand entgegenzusetzen.
  • um weitere UnterstützerInnen der Kirchenasyle in der Bundesrepublik werben und uns gemeinsam mit Geflüchteten für ein gerechtes, würdevolles Leben einsetzen.

Die Erstunterzeichnenden dieses offenen Briefes sind:

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