Fastenimpuls IV

Körper und Auferstehung

Befreiungstheologische Impulse für die Fastenzeit zur Vorbereitung auf Ostern 2021

In der Fastenzeit veröffentlicht das Institut für Theologie und Politik (ITP) jede Woche einen befreiungstheologischen Impuls auf der Homepage. Darin geht es mit Blick auf Ostern um das Thema Auferstehung und Körper.

In dieser Woche stellt Jan Henrik Röttgers die Frage nach der Möglichkeit der Auferstehung in der Coronakrise. Download hier: Zweiter Impuls_Fastenzeit_Jan Henrik Röttgers

#4 Auferstehung in Corona-Zeiten

Impuls von Jan Henrik Röttgers, Theologe, Kaplan in Wesel und organisiert im Arbeitskreis Pastoral am ITP

Wenn wir in der Fastenzeit den Blick auf Ostern richten, dann geht es um Auferstehung, und zwar um leibliche Auferstehung und damit verbunden um das Leben. Grade darum ist es hilfreich, in dieser Krise, in der es vielfach um Leben und Tod geht, sich vom Blick auf den Aufstand für das Leben, den Jesus gewagt hat, leiten zu lassen und daraus Punkte für die Analyse der Corona-Krise und für deren Bewältigung zu suchen.

Jesus hat in seiner Zeit durch sein Handeln und seine Verkündigung die bestehenden krisenhaften Strukturen des Antireichs aufdeckt und entlarvt und den konkreten Gegenentwurf des Gottesreichs entgegengesetzt, das dem Leben in Fülle für Alle, und damit sind insbesondere die Armen und Marginalisierten gemeint, dienen soll. Für diese Botschaft hat er mit seinem Leben bezahlt, weil damit die bestehende Ordnung in Frage gestellt wurde, die nicht dem Leben für Alle dient, sondern nur dem Wohl von Wenigen.

Die Corona-Krise ist eine Einladung die Bedingungen des Lebens und was gutes Leben verunmöglicht in der Tiefe auszuloten. Krisen führen zur Unterscheidung, weil die Verhältnisse offen liegen. Vordringlich, um das Corona-Virus zu bändigen, scheint zu sein, die Krise zu lösen, indem möglichst viel geimpft wird. Das Ziel ist dabei, dass wir möglichst schnell zum Zustand vor Corona zurückkehren und der bunte Reigen des Konsumierens und Produzierens wieder ungestört laufen kann. Vielfach wird beschworen, wie schön es doch sein wird, wenn alle Beschränkungen fallen und mensch wieder reisen kann oder ohne Masken einkaufen kann. Das, was eine bourgeoise Mittelschicht momentan als Ausnahmezustand erlebt, ist für viele Prekarisierte aber leider der permanente Ausnahmezustand und ein Aufheben von Beschränkungen wird nicht wie von Zauberhand dazu führen, dass bspw. Geld zum Einkaufen ohne Maske oder Reisen vorhanden ist.

Grund genug zur Frage also, ob diese Wiederherstellung von Genussfähigkeit und verordneter konsumierbarer Fröhlichkeit wirklich die letzte (evangeliengemäße) Lösung der Krise ist, oder ob dies nicht eigentlich nur Kosmetik ist, die die wahre Krise verdeckt. Adorno bewertet das in Minima Moralia so: „Die Ermahnung zur happiness […] trägt die Züge des wütenden Vaters, der die Kinder anbrüllt, wenn sie nicht jubelnd die Treppe hinunterstürzen, wenn er misslaunisch aus dem Geschäft nach Hause kommt. Es gehört zum Mechanismus der Herrschaft, die Erkenntnis des Leidens, das sie produziert, zu verbieten, und ein gerader Weg führt vom Evangelium der Lebensfreude zur Errichtung von Menschenschlachthäusern so weit hinten in Polen, dass jeder der eigenen Volksgenossen sich einreden kann, er höre die Schmerzensschreie nicht. Das ist das Schema der ungestörten Genussfähigkeit.“1

Zum status quo ante zurückkehren ist keine akzeptable Lösung, denn dass es so weiter geht ist die eigentliche Katastrophe mindestens für die Armen. Das Corona-Virus ist letztlich nur ein Symptom einer tiefergehenden Krise unserer Welt. Entmenschlichende Produktions- und Lebensbedingungen, globalisierungstreibende Verwertungslogiken, die permanenten Überschreitungen der Grenzen der Natur durch die Menschen und eine Gesellschaft, die auf Wettbewerb und Gewinnmaximierung aufgebaut ist, sind mit-ursächlich für Pandemien.

Das anzuerkennen und zu überwinden wäre eine Medizin, die dem Leben wirklich hilft. Nicht von außen weiß getünchte Gräber, die innen aber voller Knochen und Tod sind, helfen weiter, sondern die Zuwendung zum Gott des Lebens und die Orientierung allen Handelns an den Bedürfnissen derjenigen, die am guten und gerechten Leben gehindert werden, hilft, dass Auferstehung schon heute Wirklichkeit werden kann.

1 Adorno, Theodor: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfurt a.M. 19 ,2019. S.70