Erziehung und Wissenschaft macht nicht unbedingt klug – eine kleine Nachlese zum Weltsozialforum

Wer im Internet nach Berichten vom Weltsozialforum 2009 in Belem sucht, der findet so manches, was auf erstaunliche Begegnungen verweist. So fanden wir auf den Seiten der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (www.gew.de/Eine_andere_Welt_ist_notwendig.html) den Bericht von Diethild Simon, die von einer Begegnung mit Indio-Kindern berichtet:
„Eine andere Welt ist nicht nur möglich- sie ist notwendig!“ Nur ungern zitiere ich Demagogen ( hier der venezolanische Präsident Hugo Chaves auf dem WSF), aber wo er recht hat, hat er recht. Auf dem Weg zu unserer Veranstaltung mit dem Thema: „ Bildung für alle – Wie können die Milleniumentwicklungsziele erreicht werden?“ erleben Günther Fuchs und ich die Dringlichkeit der Fragestellung nur allzu deutlich. Zwei kleine Indios ( „Indianer“ sei politisch nicht korrekt, wurde ich heute beim Frühstück belehrt..)erhalten, nachdem Günther ihrer Mutter gerade ein Blasrohr mit bunten Federn abgekauft hat, von mir zwei rote GEW- Filzstifte. Sie wissen zuerst nicht, was sie damit anfangen sollen. So male ich ihnen Blumen und lachende Gesichter auf ein Stück Papier. Vier dunkle Augen beginnen zu strahlen. Innerhalb von Sekunden versinkt der kleine Junge in der Beschäftigung des Nachzeichnens meiner Blumen und Gesichter Eine tiefe Konzentration wird deutlich. Ein Kind- fasziniert von einem roten Stift!

Weil wir dem Bericht nicht so ganz trauten, haben wir nachgeforscht und von dem entsprechenden Kind folgende Gegendarstellung erhalten:

Liebe Lehrerin aus Deutschland,
vielen Dank für den roten Stift, den du mir geschenkt hast. Ich habe mich sehr darüber gefreut, auf einen Menschen anderer Hautfarbe zu treffen, der/die auch Freude an Farben hat. Deine kleinen Bildchen, die du uns vorgemalt hast, fanden wir sehr lustig. Wir zeichnen anders, aber so ist das nun mal mit kulturellen Unterschieden. Schon als ganz kleine Kinder lernen wir mit Farben und Stiften umzugehen, wobei wir Farben und Stifte aus den Materialien in unserer Umgebung selbst herstellen. Deshalb waren wir erstaunt darüber, dass du uns solch billige Massenproduktion mit Werbeaufdruck von der GEW angeboten hast. Wir haben uns gefragt, ob du wohl nie gelernt hast, selbst Farben und Stifte herzustellen. Anbei schicke ich dir zwei Fotos, die dir dies ein wenig näher bringen können.

indiokind1.JPGindiokind2.JPG

Bevor du die Bilder missverstehst: Die Muster sind nicht nur einfach Kritzeleien, sondern sehr komplex und voller Bedeutung in unserer Kultur. Dies ist auch schon von einigen europäischen Experten untersucht worden. Ich meine, einer hieß Lévi-Strauß, aber da möchte ich mich nicht festlegen. Ich bin ihm ja nie begegnet.

Als du uns deine Bildchen vorgemalt hast, haben wir dies als Versuch verstanden, mit uns in ein Gespräch zu kommen, da du ja unsere Sprache nicht kannst. Wir haben sofort versucht, dieses Gespräch durch eigene Zeichnungen aufzunehmen, nur da warst du schon weitergegangen. Leider. Unsere Mühe war umsonst.

Deshalb sind wir auch ein wenig irritiert, wie du unsere Begegnung darstellst. Ich denke, du hast uns  in deiner europäisch geprägten Bildungseuphorie nicht ganz richtig verstanden. Und dieses Nicht-Verstehen scheint dich ja auch in anderer Hinsicht zu prägen, so zum Beispiel in deinem Vor-Urteil gegenüber Präsident Chavez, den wir hier Lateinamerika durchaus schätzen und von dem wir in Bezug auf politische Veränderungen in Lateinamerika einiges erwarten und erhoffen.
Übrigens mussten wir deine Stifte sehr bald nach unserer Begegnung wegwerfen: Sie haben der hohen Luftfeuchtigkeit und dem Regen nicht standgehalten. Unsere Naturfarben und Malfasern sind da doch besser geeignet.

Viele Grüße

Deine Malinche