„Laudato Si´ – über die Sorge für das gemeinsame Haus“ – Eine Zusammenfassung der neuen Enzyklika von Papst Franziskus

Agrobusiness in Brasilien - Sojaanbau und Pestizide
Agrobusiness in Brasilien – Sojaanbau und Pestizide

Heute veröffentlicht der Vatikan die neue Enzyklika „Laudato Si- über die Sorge für das gemeinsame Haus“. Wir publizieren hier eine erste Zusammenfassung des Textes mit den aus unserer Perspektive wichtigsten Punkten. Neben der Tatsache, dass eine solche Enzyklika zu Umweltfragen sowieso erstaunlich ist, zeigt sich im Text eine Kontinuität zum ersten Text „Evangelii Gaudium“: Die umweltproblematik wird in engem Zusammenhang zur Frage von sozialer Gerechtigkeit gesehen und in den Kontext des aktuellen Wirtschaftssystems (Diese Wirtschaft tötet!) gesetzt.  Die Zusammenfassung wurde von Prof. i.R. Dr. Dr.hc. Norbert Mette erstellt.

Michael Ramminger

Proömium

Direkt zu Beginn, in den ersten beiden Abschnitten, wird vorgegeben, worum es in der Enzyklika geht: Auf der einen Seite erinnert der Sonnengesang des Franziskus von Assisi daran, dass unser gemeinsames Haus wie eine Schwester ist, mit der wir unsere Existenz teilen. Auf der anderen Seite finden wir dieses Haus erheblich geschädigt vor („Diese Schwester schreit …“), weil wir es verantwortungslos missbraucht – Krankheitssymptome des Bodens, des Wassers und der Luft sind unübersehbar – und die von Gott geschenkten Güter missachtet haben. Es ist vergessen worden, dass wir, die Menschen, selber Erde sind. Besonders die Armen, die keiner Beachtung für Wert befunden und misshandelt werden, sind von dieser Ausbeutung und Zerstörung der Erde am stärksten betroffen (1 u. 2)

„Nichts von dieser Welt ist für uns gleichgültig.“ In den folgenden Abschnitten (3 – 6) erinnert der Papst daran, dass bereits seine Vorgänger – angefangen mit Papst Johannes XXIII bis hin zu Papst Benedikt XVI – die Dringlichkeit eines nachhaltigen Umgangs mit den von Gott den Menschen anvertrauten Erdengütern betont haben, und stellt damit die Kontinuität heraus, in der sein Lehrschreiben steht. Bewusst wendet er sich damit „an jeden Menschen, der auf diesem Planeten wohnt“ (3; vgl. 62).

„Vereint in ein und derselben Sorge“ (7-9).

Daneben würdigt er, dass es unzählige Wissenschaftler, Philosophen, Theologen und soziale Organisationen sind, die das Nachdenken der Kirche über ökologische Fragen bereichert haben. Auch die anderen christlichen Kirchen und Religionen engagieren sich in diesem Bereich. Ausdrücklich erwähnt und zitiert der Papst den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Bartholomäus.
Anm.: In diesem Zusammenhang hätte es nahe gelegen, zuzugeben, dass das ökologische Engagement von Christ/innen nicht so sehr von den kirchenleitenden Ebenen ausgegangen ist, sondern von Initiativen an der Basis der Kirchen und nicht zuletzt im außerkirchlichen Raum. Der Konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung wird nicht erwähnt.

Bemerkenswert wiederum ist, dass in der Enzyklika auf viele Dokumente von Bischofskonferenzen zurückgegriffen wird und aus ihnen teilweise Passagen zitiert werden. U.a. werden darunter auch die Erklärung von der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz „Der Klimawandel: Brennpunkte globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit“ (2006) sowie die Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zu Fragen der Umwelt und der Energieversorgung „Zukunft der Schöpfung – Zukunft der Menschheit“ (1980) erwähnt (Anm. 27).

„Der heilige Franziskus von Assisi“ (10-12)

 

Fischer demonstrieren im Senegal gegen die Überfischung
Fischer demonstrieren im Senegal gegen die Überfischung

Für den Papst ist es insbesondere Franziskus von Assisi, der auch und gerade heute vorbildlich ist für den Einsatz im Sinne einer ganzheitlichen (integralen) Ökologie („ecología integral“ – ein Stichwort, das den gesamten weiteren Text durchzieht). Eine solche Ökologie, so zeigt dieser Heilige, braucht Kategorien, die die Sprache der Mathematik und der Biologie überschreiten und uns in Verbindung bringen mit dem Wesen des Menschlichen: das Staunen über die wunderbare Schöpfung und ihr Besingen. „Die Welt ist mehr als ein zu lösendes Problem, sie ist ein freudiges Geheimnis, das wir mit frohem Lob betrachten.“ (12)

„Mein Aufruf“ (13-16)

Der Papst äußert die Überzeugung, dass trotz aller gegenläufigen Tendenzen die Menschheit in der Lage ist, zu kooperieren, um eine nachhaltige und integrale Entwicklung des gemeinsamen Hauses zu meistern. Und er dankt allen, die sich in verschiedenen Bereichen für diese gemeinsame Aufgabe engagieren. Er stellt seine Enzyklika in die Tradition der kirchlich-lehramtlichen Soziallehre, die mit ihr um die ökologische Dimension erweitert wird. Nach einer kurzen Übersicht über die Gliederung des Schreibens gibt er eine Reihe von Leitlinien an, die es durchziehen:

  • Die enge Beziehung zwischen den Armen und der Anfälligkeit des Planeten,
  • die Überzeugung, dass in der Welt alles miteinander verbunden ist,
  • die Kritik am neuen Machtmodell (Paradigma) und den Formen der Macht, die aus der Technik (Technologie) abgeleitet sind,
  • die Einladung, nach einem anderen Verständnis von Wirtschaft und Fortschritt zu suchen,
  • der Eigenwert eines jeden Geschöpfes,
  • der menschliche Sinn der Ökologie,
  • die Notwendigkeit aufrichtiger und ehrlicher Debatten,
  • die schwere Verantwortung der internationalen und lokalen Politik
  • die Wegwerfkultur und der Vorschlag eines neuen Lebensstils.

1. Kapitel: Was in unserem Haus passiert

In diesem Kapitel geht es um eine Konfrontation mit dem konkreten Kontext mit dem wir es aktuell zu tun haben. Als ein Kennzeichen unserer Zeit wird die „Beschleunigung“ angeführt. Sie stehe im Widerspruch zu der natürlich Langsamkeit der biologischen Evolution und drohe, die Welt und die Qualität des Lebens eines großen Teils der Menschheit zu beschädigen. Im Gegenzug sei es zu einem Aufbruch eines stärkeren Bewusstseins in der Gesellschaft gekommen, zu einer wachsenden Sensibilität für den Respekt vor der Umwelt und die Sorge für die Natur. (17-19)

I. Umweltverschmutzung und Klimawandel

Verschmutzung, Abfall und Wegwerfkultur (20-22) Die Schadstoffe in der Luft, denen die Menschen ausgesetzt sind, zeitigen Folgen für ihre Gesundheit, besonders der Armen, und führt zum vorzeitigen Tod. Die Technologie, die mit dem Finanzwesen verknüpft ist, gibt vor, dieses Problem lösen zu können, zeigt sich aber in Wirklichkeit als unfähig dazu, weil sie die Komplexität der miteinander zusammenhängenden Ursachen nicht durchschaut und mit der Lösung eines Problems neue schafft. Weiterhin ist die Welt zum überbordenden Müllhaufen geworden (im spanischen Original heißt es „deposito de porqueria“ – Schweinestall, was allerdings von den Schweinen als Verleumdung empfunden werden könnte). Es herrscht eine Wegwerfkultur vor, von der auch Menschen betroffen sind, die einfach abgeschrieben und ausgeschlossen werden. Es geht darum, sich dieser Kultur zu widersetzen und Ansätze zu einer Kultur der Wiederverwertung weiterzuentwickeln.

Das Klima als gemeinsames Gut (23-26). Es besteht ein Konsens unter Wissenschaftlern darüber, dass wir es mit einer fortschreitenden Erderwärmung zu tun haben. Soll sie aufgehalten werden, ist es notwendig, den Lebensstil, den Konsum und die Produktion zu ändern. Denn zum großen Teil ist die rapide Erwärmung durch die Menschen verursacht. Die bereits erprobten Ansätze zu einem geringeren Energieverbrauch gilt es fortzuentwickeln und zu verbreitern.

II. Die Wasserfrage (27-31)

Von den Auswirkungen der Erderwärmungen sind vor allem die armen Länder betroffen, die in besonderer Weise von den natürlichen Reserven und dem Funktionieren des Ökosystems

Senegalesische Bäuerinnen demonstrieren für das Recht auf eigenes Saatgut
Senegalesische Bäuerinnen demonstrieren für das Recht auf eigenes Saatgut

abhängig sind, wie die Landwirtschaft, die Fischerei und die Forstwirtschaft. Dass dem gegenüber die anderen Teile der Welt sich gleichgültig zeigen, ist ein Beleg dafür, wie der Sinn für Verantwortung für die Mitmenschen verloren gegangen ist. Es ist darum unmöglich, dass die hochentwickelten Länder und reichen Sektoren der Gesellschaft das aktuelle Niveau ihres Konsumniveaus beibehalten. „Es sind bereits gewisse Höchstgrenzen der Ausbeutung des Planeten überschritten worden, ohne dass wir das Problem der Armut gelöst haben.” (27)

Ein schwerwiegendes Problem ist die Frage nach sauberem und trinkbarem Wasser geworden. Auch davon sind die Armen in besonderer Weise betroffen. Der Papst betont: „Der Zugang zu trinkbarem und sicheren Wasser ist ein basales, fundamentales und universales Menschenrecht, weil davon das Überleben der Menschen abhängig und folglich eine Bedingung für die Ausübung der übrigen Menschenrechte ist. Diese Welt hat eine schwere soziale Schuld den Armen gegenüber, die keinen Zugang zu trinkbarem Wasser haben, weil dadurch das Recht auf ein Leben negiert wird, das auf einer unveräußerlichen Würde wurzelt.“ (30) Im Übrigen wird eine größere Knappheit des Wassers eine Verteuerung der Lebensmittel und verschiedener Produkte zur Folge haben.

III. Der Verlust der biologischen Vielfalt (32-42)

„Jedes Jahr verschwinden Tausende von Pflanzen und Tierarten, die wir nicht mehr kennen können, die unsere Kinder nicht mehr sehen können, verloren für immer“ (33) Zu einem großen Teil ist das auf von Menschen getätigte, zerstörerische Eingriffe in das Ökosystem zurückzuführen. Im Einzelnen geht die Enzyklika auf die planetarischen Lungen am Amazonas und am Kongo ein sowie auf die Verschmutzung der Ozeane. „Anerkennenswert ist die Aufgabenstellung von internationalen Organisationen und Vereinigungen der Zivilgesellschaft, welche die Bevölkerung sensibilisieren und kritisch mitwirken – auch unter Einsatz legitimer Druckmittel -, damit jede Regierung ihre eigene und nicht delegierbare Pflicht erfüllt, die Umwelt und die natürlichen Ressourcen ihres Landes zu bewahren, ohne sich an unehrliche lokale und internationale Interessen zu verkaufen.“ (38) Weiterhin muss viel mehr in die Forschung investiert werden.

IV. Verschlechterung der Lebensqualität und sozialer Niedergang (43-47)

Als Phänomene werden angeführt: das unregulierte und die menschliche Würde verletzende Wachstum von Städten; die Privatisierung von bisher öffentlichen Räumen (u.a. mit der Folge, dass sich Wohlhabende „ökologische“ Reservate sichern); die soziale Exklusion; die Ungleichheit, über etwas verfügen und konsumieren zu können; Auswirkungen technologischer Neuerungen in der Arbeitswelt, der Energieverbrauch; die Zunahme von Gewalt; neue Formen der sozialen Aggressivität; der zunehmende Drogenkonsum; die Dynamiken der Medien und der digitalen Welt (Entfremdung von der direkten Kommunikation und ihren Eigenschaften; „geistige Umweltverschmutzung“).

V. Weltweite soziale Ungerechtigkeit

„Die menschliche Umwelt und die natürliche Umwelt verschlechtern sich gemeinsam, und wir werden die Umweltzerstörung nicht sachgemäß angehen können, wenn wir nicht auf Ursachen achten, die mit dem Niedergang auf menschlicher und sozialer Ebene zusammenhängen.“ (48) Wiederum sind davon besonders der Schwächsten des Planeten negativ betroffen. Ausdrücklich geht ein Abschnitt (49) auf die Ausgeschlossenen (Excluidos) ein. Der Papst unterstreicht: „Wir kommen jedoch heute nicht umhin anzuerkennen, dass ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage (den Schrei) der Armen ebenso zu hören wie die Klage (den Schrei) der Erde.“ (49; entlehnt dem Titel eines Buches von Leonardo Boff)

Eine staatlich verordnete Reduktion der Geburtenrate ist keine Lösung; es geht vielmehr um Verteilungsgerechtigkeit. Denn es gibt eine „ökologische Schuld“ insbesondere zwischen der nördlichen und südlichen Hemisphäre. Die Erwärmung, die durch den enormen Konsum in einigen reichen Ländern bewirkt worden ist, zeitigt Rückwirkungen auf die ärmeren Orte der Welt. „Der Erdboden der Armen im Süden ist fruchtbar und wenig umweltgeschädigt, doch in den Besitz dieser Güter und Ressourcen zu gelangen, um ihre Lebensbedürfnisse zu befriedigen, ist ihnen verwehrt durch ein strukturell perverses System von kommerziellen Beziehungen und Eigentumsverhältnissen. Es ist notwendig, dass die entwickelten Länder zur Lösung dieser Schuld beitragen, indem sie den Konsum nicht erneuerbarer Energien in bedeutendem Maß einschränken und Hilfsmittel in die am meisten bedürftigen Länder bringen, um politische Konzepte und Programme für eine nachhaltigen Entwicklung zu unterstützen.“ (52) Gegen die Globalisierung der Gleichgültigkeit gilt es, das Bewusstsein, dass wir eine einzige Menschheitsfamilie sind, zu stärken.

VI. Die Schwäche der Reaktionen (53-59)

„Es ist unerlässlich, ein Rechtssystem zu schaffen, das unüberwindliche Grenzen enthält und den Schutz des Ökosystems gewährleistet, bevor die neuen Formen der Macht, die sich von dem techno-ökonomischen Paradigma herleiten, schließlich nicht nur die Politik zerstören, sondern sogar die Freiheit und Gerechtigkeit.“ (53) Aber aufs Ganze gesehen fahren die ökonomischen Mächte fort, das aktuelle globale System zu rechtfertigen, in dem eine Spekulation und eine Suche nach finanziellem Ertrag den Ton angeben und dabei den Kontext und die Auswirkungen auf die menschliche Würde und die Umwelt ignorieren. Wenn das so weiter geht, sind neue Konflikte und Kriege vorhersehbar. Positive Beispiele in einigen Ländern bilden die Ausnahme.

VII. Die Unterschiedlichkeit der Meinungen (60-61)

Angesichts der extrem unterschiedlichen Meinungen, die es zu den gen. Problem und Herausforderungen gibt, kann die Kirche nicht für sich das letzte Wort beanspruchen, sondern muss die ernsthafte Debatte darüber fördern. „Es genügt jedoch, aufrichtig die Realität zu betrachten, um zu sehen, dass unser gemeinsamen Hauses stark beschädigt ist. Die Hoffnung lädt uns ein zu erkennen, dass es immer einen Ausweg gibt, dass wir immer den Kurs neu bestimmen können, dass wir immer etwas tun können, um die Probleme zu lösen.“ (61)

2. Kapitel: Das Evangelium von der Schöpfung

Das Kapitel beginnt mit der Frage, was denn überhaupt religiöse Überlegungen angesichts der geschilderten desaströsen Entwicklungen Hilfreiches beitragen können. Der Papst meint, dass ein intensiver Dialog zwischen Wissenschaft und Glaube sich für beide Seiten als produktiv erweisen dürfte.

I. Das Licht, das der Glaube bietet (63-64)

Angesichts der Komplexität der ökologischen Krise reicht der allein wissenschaftliche Zugriff nicht aus. Die Kulturen der Völker, die Kunst und Poesie, das innerliche Leben und die Spiritualität sind einzubeziehen. Alle zur Verfügung stehenden Kräfte müssen ausgeschöpft werden. Mit Blick auf die Christ/innen gilt, dass sie von ihrem Glauben her für die Sorge um die Erde und die Mitmenschen sehr motiviert sind und so einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten.

II. Die Weisheit der biblischen Erzählungen (65-75)

In den folgenden Abschnitten wird ein Querschnitt durch entscheidende biblische Abschnitte zum Thema gegeben, angefangen von den Schöpfungsberichten (Gen 1-3), deren Aufnahme u.a. in den Psalmen, die Erzählungen von Kain und Abel sowie Noah, über die Hochschätzung des Sabbats, des Sabbat- und des Jubeljahres bis hin zu den Propheten und der Erfahrung des Exils. Vermerkt sei, dass der Papst betont (67), dass Gen 1,28 (die Erde unterwerfen) im Licht von Gen 2,15 (die Erde bebauen und hüten) gelesen werden muss; andernfalls kommt es zu verheerenden Konsequenzen (und ist es so gekommen; hier wäre ein deutlicheres Schuldbekenntnis mit Blick auf die verheerenden Folgen der Auslegung des Schöpfungsbefehls angebracht gewesen).

Weiterhin stellt der Papst heraus, dass die sog. „Letzten“ unter den Lebewesen einen Eigenwert vor Gott haben und dies auch für den menschlichen Umgang miteinander gilt (69). Die „Lehre“, die der Papst aus dieser Durchsicht der Bibel zieht, lautet: „Wir können keine Spiritualität vertreten, die Gott als den Allmächtigen und den Schöpfer vergisst. Auf diese Weise würden wir schließlich andere Mächte der Welt anbeten oder uns an die Stelle des Herrn und uns sogar anmaßen, die von ihm geschaffene Wirklichkeit unbegrenzt (durch keine Anerkennung von Grenzen) mit den Füßen zu treten. Die beste Art, den Menschen auf seinen Platz zu verweisen und seinem Anspruch, ein absoluter Herrscher über die Erde zu sein, ein Ende zu bereiten, besteht darin, ihm wieder die Figur des Vaters vor Augen zu stellen, der Schöpfer und einziger Eigentümer der Welt ist. Denn andernfalls wird der Mensch immer dazu neigen, der Wirklichkeit seine eigenen Gesetze und Interessen aufzuzwingen.“ (75)

III. Das Geheimnis des Universums

Flucht und Migration sind auch Folge zerstörter Produktionsbedingungen

„Von `Schöpfung´ zu sprechen ist für die jüdisch-christliche Überlieferung mehr als von Natur zusprechen, denn es hat mit einem Plan der Liebe Gottes zu tun, in dem jedes Geschöpf einen Wert und eine Bedeutung besitzt.“ (76) Im Wort „Schöpfung“ drückt sich aus, dass das Universum nicht als Resultat einer willkürlichen Allmacht zustande gekommen ist, sondern in der Ordnung der Liebe Gottes angesiedelt ist. „Wenn wir den Wert und die Zerbrechlichkeit der Natur erkennen und zugleich die Fähigkeiten, die der Schöpfer uns verliehen hat, gestattet uns das, heute dem modernen Mythos des unbegrenzten materiellen Fortschritts Schluss zu machen. Eine zerbrechliche Welt mit einem Menschen, dem Gott sie zur Obhut anvertraut, appelliert an unsere Intelligenz, um zu erkennen, wie wir unsere Macht orientieren, ausüben und beschränken müssten.“ (78) Der Mensch kann mit seiner Vernunft zerstören und Positives bewirken. So sehr er auch in die Prozesse der Evolution eingebunden ist, so sehr ist er auch etwas Eigentümliches – mit seiner Fähigkeit zu denken, zu argumentieren, etwas zu schaffen, zu interpretieren, künstlerisch tätig zu werden etc. Kurz, in biblischer Sicht ist der Mensch Subjekt, das nie auf einen Objektstatus reduziert werden kann. Dieser Subjektstatus gebührt jedem, auch und gerade „den Letzten“. Eschatologisch gesehen ist das Universum dazu bestimmt, in die Fülle Gottes einzugehen.

IV. Die Botschaft eines jeden Geschöpfs in der Harmonie mit der gesamten Schöpfung (84-88)

„Wenn wir auf der Aussage bestehen, dass der Mensch ein Abbild Gottes ist, dürfte uns das nicht vergessen lassen, dass jedes Geschöpf eine Funktion besitzt und keines überflüssig ist.“ (84) Alles hängt untereinander zusammen. In jeder Kreatur wohnt der lebensspendende Geist, der uns zu einer Beziehung mit ihm ruft. Darin wird der unerschöpfliche Reichtum Gottes erkennbar. Hier zitiert der Papst den Sonnengesang des hl. Franziskus (87).

V. Eine universale Gemeinschaft (89-92)
Wenn wir alle durch denselben Vater geschaffen sind, heißt das, dass alles Geschaffene durch unsichtbare Bande vereint ist und eine universale Familie bildet. Aber das darf nicht übersehen lassen, dass es in der Realität Unterschiede gibt, dass nicht alle die gleichen Möglichkeiten zum Leben haben, dass manche meinen, für sich größere Vorrechte in Anspruch nehmen zu können. Wenn wirklich die Berufung zur universalen Gemeinschaft ernst genommen wird, heißt das, dass niemand daraus ausgeschlossen werden darf.

VI. Gemeinsame Bestimmung der Güter (93-95)

Grundsätzlich sind die Güter der Erde für alle bestimmt. Niemand darf privilegiert, niemand ausgeschlossen werden. Die kirchliche Soziallehre besteht auf der Sozialpflichtigkeit des Eigentums. „Die Umwelt ist ein kollektives Gut, ein Erbe der gesamten Menschheit und eine Verantwortung für alle. Wenn sich jemand etwas aneignet, dann nur, um es zum Wohl aller zu verwalten.“ (95)

VII. Der Blick Jesu (96-100)

Jesus lebte in voller Harmonie mit der Schöpfung und forderte zu einem staunenden und achtsamen Umgang mit ihr auf. Die christologische Reflexion sieht ihn in engstem Zusammenhang mit dem Beginn und dem Ende der Schöpfung, als das Alpha und Omega.

Anm.: An das 2. Kap. Ist m.E. die Rückfrage zu richten, ob der Papst nicht ein zu harmonisches Bild von der Schöpfung zeichnet, das ausblendet, dass es nicht nur nicht von Menschen verursachte Naturkatastrophen gibt, sondern auch dass es in der Evolution mitunter äußerst drastisch und grausam zugeht (Kampf auf Leben und Tod).

3. Kapitel: Die menschliche Wurzel der ökologischen Krise

Über die Beschreibung der Symptome hinaus muss es um eine Analyse gehen, worin die Ursachen für die ökologische Krise zu suchen sind, soll ihr wirksam begegnet werden. Papst Franziskus macht dafür, wie er im Folgenden darlegt, vorwiegend die Vorherrschaft des technologischen Paradigmas (bzw. der instrumentellen Vernunft) verantwortlich.

I. Die Technologie: Kreativität (102-105)

„Die Menschheit ist in eine neue Ära eingetreten, in der uns die Macht der Technologie vor einen Scheideweg stellt.“ (102) Es geht darum, ob das immer umfassendere technologische Wissen und das sich daraus ergebende praktische Know how zur Verbesserung der Lebensqualität der Menschen und ihrer Umwelt eingesetzt werden oder zum Eigeninteresse weniger auf Kosten der vielen. „Nie hatte die Menschheit so viel Macht über sich selbst …“ (104) Doch das ethische Bewusstsein für das, was von dem, was getan werden kann, getan werden darf, ist unterbelichtet.

II. Die Globalisierung des technokratischen Paradigmas

Viele Krisen der Gegenwart haben der Enzyklika zufolge darin ihre Ursache, dass das technokratische Paradigma dominant geworden ist und mit seiner Logik alle Bereiche der Gesellschaft, vor allem Politik und Wirtschaft, sich unterzuordnen trachtet – ohne Rücksicht auf die negativen Auswirkungen, weil die der Technologie eigene Spezialisierung nicht in der Lage ist, das Ganze in den Blick zu nehmen. „Man hat die Lektionen der weltweiten Finanzkrise nicht gelernt, und nur sehr langsam lernt man die Lektionen der Umweltschädigung.“ (109) Deswegen ist mit einem Setzen auf Technik allein auch keine Lösung der Umweltkrise zu erzielen. Dringlich ist es, „in einer mutigen kulturellen Revolution voranzuschreiten“ (114), d.h. „die Wirklichkeit auf eine andere Weise zu betrachten, die positiven und nachhaltigen Fortschritte zu sammeln und zugleich die Werte und die großen Ziele wiederzugewinnen, die durch einen hemmungslosen Größenwahn vernichtet wurden“ (ebd.).

III. Krise und Auswirkungen des modernen Anthropozentrismus

„In der Moderne gab es eine große anthropozentrische Maßlosigkeit, die unter anderer Gestalt heute weiterhin jeden gemeinsamen Bezug und jeden Versuch, die sozialen Bande zu stärken, schädigt. Deswegen ist der Moment gekommen, der Wirklichkeit mit den Grenzen, die sie auferlegt und die ihrerseits die Möglichkeit zu einer gesünderen und fruchtbareren menschlichen und sozialen Entwicklung bilden, wieder Aufmerksamkeit zu schenken.“ (116) Dazu gehört, „die Botschaft zu erkennen, die der Natur in ihren eigenen Strukturen eingeschrieben ist“ (117). Entscheidend geht es dabei um ein angemessenes Verständnis des Menschen. „Es gibt keine Ökologie ohne eine angemessene Anthropologie.“ (118) Der Mensch steht sowohl in Beziehung zu seiner Umwelt als auch zu seiner Mitwelt und ist darüber hinaus offen auf das göttliche „Du“ hin. Das Prinzip der Annahme der Schwachen beinhaltet auch den Schutz des menschlichen Embryos (120).

Der praktische Relativismus: Wo das technologische Paradigma allgegenwärtig ist und die grenzenlose menschliche Macht verherrlicht wird, kommt ein Relativismus auf, „bei dem alles irrelevant wird, wenn es nicht den unmittelbaren eigenen Interessen dient“ (122). „Wenn es weder objektive Wahrheiten noch feste Grundsätze gibt außer der Befriedigung der eigenen Pläne und der unmittelbaren Bedürfnisse“ (123), scheint alles erlaubt zu sein: die Ausbeutung von Menschen als Sklaven, das Wegwerfen von Sachen und Menschen, Erwerb von Organen von Armen, um sie zu verkaufen, organisierte Kriminalität etc.

Die Notwendigkeit, die Arbeit zu schützen: „Die Arbeit sollte der Bereich dieser vielseitigen persönlichen Entfaltung sein, wo viele Dimensionen des Lebens ins Spiel kommen: die Kreativität, die Planung der Zukunft, die Entwicklung der Fähigkeiten, die Ausübung der Werte, die Kommunikation mit den anderen, eine Haltung der Anbetung. In der weltweiten sozialen Wirklichkeit von heute ist es daher … notwendig, `dass als Priorität weiterhin das Ziel verfolgt wird, allen Zugang zur Arbeit zu verschaffen´“. (127) Den Armen mit Geld zu helfen, muss in diesem Sinn immer eine provisorische Lösung sein … Das große Ziel muss es immer sein, ihnen mittels Arbeit ein würdiges Leben zu ermöglichen.-„ (128) Die sog. Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen erweist sich letztlich als kontraproduktiv. Der Papst wirbt für eine Unterstützung der Kleinproduzenten und der Produktionsvielfalt (129).

Die von der Forschung ausgehende biologische Innovation:

Schwerpunktmäßig setzt sich der Papst in diesem Abschnitt mit der gentechnischen Veränderung von Pflanzen und Tieren auseinander und stellt fest, dass es in diesem Bereich schwierig ist, zu einem ausgewogenen und klugen Urteil zu kommen. Deswegen ist die Diskussion darüber mitsamt den ethischen Fragen, die sich damit verbinden, voranzutreiben. Allerdings verbietet sich bereits jetzt – nicht zuletzt aufgrund der damit angerichteten Schäden für Mensch und übrige Natur – ein exzessives Eingreifen in die Pflanzen- und Tierwelt. Das gilt auch für das Experimentieren mit lebenden menschlichen Embryonen (136).

Anm.: Wie die Argumentation der gesamten Enzyklika zeigt, kann es nicht darum gehen, den Anthropozentrismus generell zu verurteilen. Es geht vielmehr um einen gewissermaßen selbstreflexiven bzw. aufgeklärten Anthropozentrismus, der auch um auf ihn sich berufende möglichen und tatsächlichen negativen Auswirkungen weiß.

4. Kapitel: Eine ganzheitliche (integrale) Ökonomie

Mit dem Begriff der „ganzheitlichen bzw. integralen Ökologie“ drückt der Papst aus, worum es ihm und nach ihm mit Blick auf die Herausforderung der Umweltkrise zu tun ist (bzw. sein muss)

I. Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialökologie (138-142)

Weil alles in der Welt miteinander verbunden ist, muss dem eine ganzheitliche Sicht der Wirklichkeit entsprechen und müssen für die Krisen ganzheitliche Lösungen gefunden und umgesetzt werden. „Es gibt nicht zwei Krisen nebeneinander, eine der Umwelt und eine der Gesellschaft, sondern eine einzige und komplexe sozio-ökologische Krise.“ (139) Darum ist auch eine Sozialökologie notwendig, die ihr Augenmerk auf den Gesundheitszustand der Gesellschaft mit ihren verschiedenen Institutionen und auf ihren verschiedenen Ebenen achtet.

II. Die Kulturökologie

„Neben dem natürlich Erbe gibt es ein historisches, künstlerisches und kulturelles Erbe, das gleichfalls bedroht ist… Deshalb setzt die Ökologie auch die Pflege der kulturellen Reichtümer der Menschheit im weitesten Sinn voraus.“ (143) Statt die Kulturen im Zuge der Globalisierung gleichförmig machen zu wollen, gilt es, die kulturelle Vielfalt in der Welt zu erhalten. „Die Durchsetzung eines vorherrschenden Lebensstils, der an eine bestimmte Produktionsweise gebunden ist, kann genauso schädlich sein wie die Beeinträchtigung der Ökosysteme.“ (145) Besonders betroffen sind die Gemeinschaften der Ureinwohner (146).

III. Die Ökologie des Alltagslebens (147-155)

„Um von einer echten Entwicklung sprechen zu können, ist sicherzustellen, dass eine ganzheitliche Verbesserung der menschlichen Lebensqualität erbracht wird“ (147). Der Papst weist anhand von Beispielen auf die Wechselwirkung hin, die zwischen dem Raum und dem menschlichen Verhalten besteht (z.B. chaotische Verhältnisse vor Ort, Wohnungsnot, Verkehrsverhältnisse u.ä.m.). Mit „Ökologie des Menschen“ greift der Papst einen Begriff seines Vorgängers Benedikt XVI auf, der sich darauf bezieht, dass „auch der Mensch .. eine Natur“ hat, „die er achten muss und nicht beliebig manipulieren kann“ (155). In diesem Zusammenhang lehnt er auch das Gendertheorem, dass das Geschlecht eine soziale Konstruktion ist, ab (, was m.E. auf einem Missverständnis beruht).

IV. Das Prinzip des Gemeinwohls (156-158)

Unter Gemeinwohl – als untrennbar mit der Humanökologie verbunden – ist laut GS 26 zu verstehen „die Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens, die sowohl den Gruppen als auch deren einzelnen Gliedern ein volleres und leichteres Erreichen der eigenen Vollendung ermöglichen“. „In der gegenwärtigen Situation der globalen Gesellschaft, in der es so viele soziale Ungerechtigkeit gibt und immer mehr Menschen ausgeschlossen und ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt werden, verwandelt sich das Prinzip des Gemeinwohls als logische und unvermeidliche Konsequenz unmittelbar in einen Appell zur Solidarität und in eine vorrangige Option für die Ärmsten.“ (158)

V. Die generationsübergreifende Gerechtigkeit (159-162)

„Der Begriff des Gemeinwohls bezieht auch die zukünftigen Generationen mit ein… Ohne eine Solidarität zwischen den Generationen kann von einer nachhaltigen Entwicklung keine Rede mehr sein. Wenn wir an die Situation denken, in der der Planet den kommenden Generationen hinterlassen wird, treten wir in eine andere Logik ein, in die des freien Geschenks, das wir empfangen und weitergeben. Wenn die Erde uns geschenkt ist, dann können wir nicht mehr von einem utilitaristischen Kriterium der Effizienz und der Produktivität für den individuellen Nutzen her denken. Wir reden hier nicht von einer optionalen Haltung, sondern von einer grundlegenden Frage der Gerechtigkeit, da die Erde, die wir empfangen haben, auch jenen gehört, die erst noch kommen.“ (159)

5. Kapitel: Einige Leitlinien für Orientierung und Handeln

In diesem Kapitel werden allgemeine Wege für den Dialog vorgeschlagen, „die uns helfen sollen, aus der Spirale der Selbstzerstörung herauszukommen, in der wir untergehen“ (163).

I. Der Umweltdialog in der internationalen Politik (164-175)

Dass wir in einer interdependenten Welt leben, hat zur Konsequenz und verpflichtet dazu, „wirksame Formen internationaler leaderships zu finden, um die schwerwiegenden Umweltprobleme und die ernsten sozialen Schwierigkeiten zu lösen“ (164). Doch es zeigt sich etwa mit Blick auf Vereinbarungen über die Reduzierung der Verbrennung von fossilem Kraftstoff, dass Politik und Unternehmertum in ihren Reaktionen weit entfernt reagieren, den weltweiten Herausforderungen gewachsen zu sein. „Während die Menschheit des post-industriellen Zeitalters vielleicht als eine der verantwortungslosesten der Geschichte in Erinnerung bleiben wird, ist zu hoffen, dass die Menschheit des 21. Jahrhunderts in die Erinnerung eingehen kann, weil sie großherzig ihre schwerwiegende Verantwortung auf sich genommen hat.“ (165) Positiv verweist der Papst auf die weltweite Ökologiebewegung. Ebenfalls positiv verweist er auf einige internationale Vereinbarungen wie Rio 1992, die Basler Konvention, das Washingtoner Artenschutzübereinkommen und das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht. Hinsicht der Bewahrung der biologischen Vielfalt und des Klimawandels fallen die Fortschritte eher spärlich aus. Rio+20 hat nichts erbracht.

Der Handel mit „Emissionszertifikaten“ hat sich auch als Irrweg erwiesen. Mit Blick auf die Verschmutzung der Weltmeere und den Schutz der Meeresgebiete ist bisher so gut wie nichts passiert. „Die gleiche Logik, die es erschwert, drastische Entscheidungen zur Umkehrung der Tendenz zur Erderwärmung zu treffen, unterbindet auch die Verwirklichung des Ziels, die Armut auszurotten. Wir brauchen eine verantwortliche weltweite Reaktion, die darin besteht, gleichzeitig sowohl die Reduzierung der Umweltverschmutzung als auch die Entwicklung der armen Länder und Regionen in Angriff zu nehmen.“ (175)

II. Der Dialog im Hinblick auf neue nationale und lokale politische Konzepte (176-181)

„Die (sc. Rechtlichen) Grenzen, die eine gesunde, reife und souveräne Gesellschaft setzen muss, sind verknüpft mit Vorausschau und Umsicht, angemessenen Reglementierungen, Überwachung der Anwendung von Vorschriften, Bekämpfung der Korruption, Aktionen wirksamer Kontrolle der unerwünschten Wirkungen der Produktionsprozesse und zweckmäßigem Eingreifen angesichts ungewisser oder möglicher Risiken.“ (177) Es muss ein Ende haben mit der Kurzsichtigkeit in der Politik (z.B. Wahlperiode). Auf der örtlichen Ebene sind leichter Maßnahmen in Angriff zu nehmen als auf Weltebene, wie Beispiele zeigen, z.B. Förderung von Formen der Energieersparnis, gute Verwaltung des Verkehrswesens, energieeinsparende Gebäudesanierung, Entwicklung einer Entsorgungs- und Wiederverwertungswirtschaft, Artenschutz., Planung einer diversifizierten Landwirtschaft mit Fruchtwechsel.

III. Dialog und Transparenz in den Entscheidungsprozessen (182-188)

Das Kriterium der Umweltverträglichkeit muss von Anfang an in allen Planungs- und Entscheidungsprozessen eine gravierende Rolle spielen. Zum Beispiel: „Wenn die objektive Information einen schweren und irreversiblen Schaden voraussehen lässt, müsste jedes Projekt, auch wenn es keine unbestreitbare Bestätigung gibt, gestoppt oder modifiziert werden.“ (186) Die Rentabilität von Ma0ßnahmen darf nicht das einzige Kriterium für die Entscheidungsfindung bleiben.

IV. Politik und Wirtschaft im Dialog für die volle menschliche Entwicklung (189-198)

„Die Politik darf sich nicht der Wirtschaft unterwerfen, und diese darf sich nicht dem Diktat und dem effizienzorientierten Paradigma der Technokratie unterwerfen.“ (189) – ein Prinzip, von dem beispielsweise festzustellen ist, dass es bei der Finanzkrise nicht beachtet worden ist (vgl. ebd.). “Innerhalb des Schemas der Rendite ist kein Platz für Gedanken an die Rhythmen der Natur, an ihre Zeiten des Verfalls und der Regenerierung und an die Kompliziertheit der Ökosysteme, die durch das menschliche Eingreifen gravierend verändert werden können.“ (190) Übersehen wird zudem, wie sehr sich Investitionen in eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen sogar wirtschaftlich als rentabel erweisen können. Damit in vernachlässigten Teilen der Welt ein gesunder Aufschwung in Gang kommen kann, müssen die bevorzugten Teile bereit sein, ihrerseits eine gewisses Maß an verringertem Wachstum (im Original: decreciemento, in der deutschen Originalübersetzung fälschlicherweise mit Rezession übersetzt; scheinbar aber eine Anspielung auf „degrowthing“,)  in Kauf zu nehmen. „Es genügt nicht, die Pflege der Natur mit dem finanziellen Ertrag oder die Bewahrung der Umwelt mit dem Fortschritt in einem Mittelweg zu vereinbaren… Es geht schlicht darum, den Fortschritt neu zu definieren.“ (194)

V. Die Religionen im Dialog mit den Wissenschaften (199-201)

Der Papst erinnert nochmals an das Potential für eine Bewusstseinsbildung, das gerade den Religionen innewohnt. Allerdings kann das nur glaubwürdig eingebracht werden, wenn die Gläubigen selbst nach den Maßgaben ihres Glaubens leben. In diesem Sinne appelliert der Papst an die Christ/innen und bedauert Fehlverhalten bzw. klagt es an, wie es vorgekommen ist und vorkommt. Er plädiert weiterhin für einen interreligiösen Dialog, einen interdisziplinären Dialog und einen Dialog zwischen den verschiedenen Ökologiebewegungen.

Anm.: In diesem Kapitel verwundert, dass der Papst nicht auch auf die Kirche einerseits als gesellschaftlichem Faktor zu sprechen kommt und andererseits angibt, was sie in ihren eigenen Reihen tun kann/soll.

6. Kapitel: Ökologische Erziehung und Spiritualität

Die ganze Menschheit muss sich ändern. Das wird ein langwieriger Regenerationsprozess sein, der eine enorme kulturelle, spirituelle und erzieherische Herausforderung darstellt (202).

I. Auf einen anderen Lebensstil setzen (203-208)

Es herrscht in der Gesellschaft ein zwanghafter Konsumismus, der die Menschen in ihrem Inneren verformt: „Während das Herz des Menschen immer leerer wird, braucht er immer nötiger Dinge, die er kaufen, besitzen und konsumieren kann.“ (204) Es bedarf darum einer tiefgreifenden Änderung der Lebensstile, indem sich die Menschen auf ihre innen innewohnende – und von Gott verliehene –Fähigkeit zurückbesinnen, sich für das Gute zu entscheiden. Dann können sie auch heilsamen Druck ausüben auf die, die die Macht haben, den Kurs, auf dem sich die Gesellschaft bewegt, umzusteuern. Es gilt, die Macht der Verbraucher zu nutzen. „Wenn wir fähig sind, den Individualismus zu überwinden, kann sich wirklich ein alternativer Lebensstil entwickeln und eine bedeutende Veränderung in der Gesellschaft wird möglich.“ (208)

II. Erziehung zum Bündnis zwischen der Menschheit und der Umwelt (209-215)

So notwendig es ist, in Erziehung und Bildung durch Informationen die Situation, in der die Menschheit und die Umwelt steckt, bewusst werden zu lassen, so reicht das allein nicht aus; sondern es muss zu einer alltäglich gelebten Umweltverantwortung motiviert werden. Ganz praktisch fallen darunter z.B. „die Vermeidung des Gebrauchs von Plastik und Papier, die Einschränkung des Wasserverbrauchs, die Trennung der Abfälle, nur so viel zu kochen, wie man vernünftigerweise essen kann, die anderen Lebewesen sorgsam zu behandeln, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder ein Fahrzeug mit mehreren Personen zu teilen, Bäume zu pflanzen, unnötige Lampen auszuschalten“ (211). Auch wenn das kleine Dinge zu sein scheinen, ändert das viel, sowohl mit Blick auf die Umwelt als auch mit Blick auf die eigene Lebensqualität. Unter den Bereichen, in denen Erziehung geschieht, geht der Papst insbesondere auf die Familie ein, in der Grundverhaltensmuster erworben werden (können), wie Dankbarkeit, Wertschätzung der anderen, Erbitten von Verzeihen, Beherrschung der Aggressivität oder der Unersättlichkeit. „Diese kleinen Gesten ehrlicher Höflichkeit helfen, eine Kultur des Zusammenlebens und der Achtung gegenüber unserer Umwelt aufzubauen.“ (213) In diesem Zusammenhang betont der Papst auch den Wert der ästhetischen Erziehung und Bildung, die den Wert des Schönen und Zweckfreien vermitteln (215). Für die Erziehung nimmt der Papst nicht zuletzt auch die Kirche in die Pflicht (214).

III. Die ökologische Umkehr (216-221)

Unter diesem Titel schlägt der Papst „einige Leitlinien ökologischer Spiritualität“ vor, „die aus den Überzeugungen unseres Glaubens entspringen“ (216). Gegenüber Haltungen von Christ/innen, sei es dass sie die Umweltsorgen bespötteln, sei es dass sie passiv bleiben, insistiert er darauf: „Die Berufung, Beschützer des Werkes Gottes zu sein, praktisch umzusetzen, gehört wesentlich zu einem tugendhaften Leben; sie ist nicht etwas Fakultatives, noch ein sekundärer Aspekt der christlichen Erfahrung.“ (217) Die ökologische Umkehr, die gefordert ist, ist nicht nur Sache von Einzelnen, sondern auch eine gemeinschaftliche Angelegenheit. Sie setzt an Grundeinstellungen voraus: Dankbarkeit und Unentgeltlichkeit, Verzicht, Bewusstsein, in einer allumfassenden Gemeinschaft zu stehen, Kreativität und Begeisterung u.ä.m. Grundlegend ist bei all dem das Bewusstsein, „dass Gott die Welt erschaffen und in sie eine Ordnung und eine Dynamik hineingelegt hat, die der Mensch nicht ignorieren darf“ (221).

IV. Freude und Frieden (222-227)

„Die christliche Spiritualität schlägt ein anderes Verständnis von Lebensqualität vor und ermutigt zu einem prophetischen und kontemplativen Lebensstil, der fähig ist, sich zutiefst zu freuen, ohne auf Konsum versessen zu sein.“ (222) Eine unbefangen und bewusst gelebte Genügsamkeit wirkt befreiend. Das begünstigt, im Frieden mit sich selbst, ausgeglichen zu leben. „Wir sprechen von einer Haltung des Herzens, das alles mit gelassener Aufmerksamkeit erlebt; das versteht, jemandem gegenüber ganz da zu sein, ohne schon an das zu denken, was danach kommt; das sich jedem Moment widmet wie einem göttlichen Geschenk, das voll und ganz erlebt werden muss.“ (226) In diesem Zusammenhang empfiehlt der Papst das Tischgebet (227).

V. Liebe im zivilen und politischen Bereich (228-232)

Im Sinne einer „universalen Geschwisterlichkeit“ (228) „müssen wir wieder spüren, dass wir einander brauchen, dass wir eine Verantwortung für die anderen und für die Welt haben und dass es sich lohnt, gut und ehrlich zu sein“ (229). Das findet seinen Ausdruck in kleinen Gesten gegenseitiger Achtsamkeit, erstreckt sich darüber hinaus auf das bürgerliche und politische Leben im Engagement für den Aufbau einer besseren Welt. Anzustreben ist eine „Kultur der Achtsamkeit“ (231). Eine Vielfalt von Vereinigungen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, trägt dazu bei (232).

VI. Sakramentale Zeichen und die Feiertagsruhe (233-237)

„Das Universum entfaltet sich in Gott, der es ganz und gar erfüllt. So liegt also Mystik in einem Blütenblatt, in einem Weg, im morgendlichen Tau, im Gesicht des Armen.“ (233) Seinen besonderen Ausdruck findet das im sakramentalen Leben der Kirche (235), besonders in der Eucharistie, in der die Schöpfung ihre größte Erhöhung findet (236). Dem Sonntag kommt in diesem Zusammenhang als Zeit der kontemplativen Ruhe, als Unterbrechung der Hektik des Alltags eine besondere Bedeutung zu (237).

VII. Die Trinität und die Beziehung zwischen den Geschöpfen (238-240)

„.. die menschliche Person wächst, reift und heiligt sich zunehmend in dem Maß, in dem sie in Beziehung tritt, wenn sie aus sich selbst herausgeht, um in Gemeinschaft mit Gott, mit den anderen und mit allen Geschöpfen zu leben. So übernimmt sie in ihr eigenes Dasein jene trinitarische Dynamik, die Gott dem Menschen seit seiner Erschaffung eingeprägt hat. Alles ist miteinander verbunden, und das lädt uns ein, eine Spiritualität der globalen Solidarität heranreifen zu lassen, die aus dem Geheimnis der Dreifaltigkeit entspringt.“ (240)

VIII. Die Königin der ganzen Schöpfung (241-242)

Maria fühlt „Mitleid mit den Armen an ihren Kreuzen und mit den durch menschliche Macht zugrunde gerichteten Geschöpfen“ (241).

IX. Jenseits der Sonne (243-245)

„Am Ende werden wir der unendlichen Schönheit Gottes von Angesicht zu Angesicht begegnen (vgl. 1 Kor 13,12) und können mit seliger Bewunderung das Geheimnis des Universums verstehen, das mit uns an der Fülle ohne Ende teilhaben wird.“ (243) „Inzwischen vereinigen wir uns, um uns dieses Haus anzunehmen, das uns anvertraut wurde, da wir wissen, dass all das Gute, das es darin gibt, einst in das himmlische Fest aufgenommen wird.“ (244)

Die Enzyklika schließt mit einem
Gebet für unsere Erde,
das alle, die an einen Gott, der allmächtiger Schöpfer ist, gemeinsam beten können, und einem
Christlichen Gebet mit der Schöpfung,
das die Christ/innen einlädt, ihre Verpflichtungen gegenüber der Schöpfung zu übernehmen.

Norbert Mette