Von Jan Henrik Röttgers
Papst Franziskus kritisiert in seinem neuen Schreiben „Laudate Deum“, das als Fortsetzung zur Enzyklika „Laudato si“ entstanden ist, deutlich die bestehenden Verhältnisse, die zur weltweiten Klimakatastrophe als sozialem Problem führen und die Unfähigkeit und den Unwillen der Mächtigen anders zu handeln. Er legt den Finger in die Wunde, wenn er die Mächtigen der Welt fragt: „Warum möchte man heute eine Macht bewahren, die in die Erinnerung eingehen wird wegen ihrer Unfähigkeit einzugreifen, als es dringend und notwendig war?“ (LD 60). Er konstatiert, dass es in den vergangenen Jahren seit Laudato si und trotz vieler Klimakonferenzen keine nennenswerten Anstrengungen gab auf die Klimakrise zu reagieren und wesentliche Veränderungen herbeizuführen. Stattdessen wird alles nur verschleppt und auf dem Altar der Profitmaximierung das gemeinsame Haus dauerhaft beschädigt.
Der Papst hält fest: „Diese Situation hat nicht nur mit der Physik oder der Biologie zu tun, sondern auch mit der Wirtschaft und unserer Weise, sie zu verstehen. Die Logik des maximalen Profits zu den niedrigsten Kosten, verschleiert als Rationalität, als Fortschritt und durch illusorische Versprechen, macht jede aufrichtige Sorge um das gemeinsame Haus und jede Sorge um die Förderung der Ausgestoßenen der Gesellschaft unmöglich“ (LD 31). Die Anhäufung von Macht in den Händen einiger weniger und die Allmachtsfantasien, die durch das technologische Paradigma hervorgerufen werden, entfremden die Menschen von der Natur . Diese Ideologie betrachtet den Menschen als nicht mehr eingebettet in die Natur.
Dem Glauben an immer weiteren technischen Fortschritt, der immer seine Kehrseiten habe, aber irgendwann einmal eine Lösung der Klimakrise bringe, erteilt Laudate Deum darum eine scharfe Absage. Dieser Glaube und falsche Vorstellung vom Menschen und der Natur verhindern ein radikales Umsteuern: „Wir laufen Gefahr, in einer Logik des Ausbesserns, des Flickens und des Zusammenheftens gefangen zu bleiben, während im Untergrund ein Prozess der Verschlechterung voranschreitet, den wir weiter fördern. Die Annahme, dass jedes künftige Problem mit neuen technischen Eingriffen gelöst werden kann, ist ein fataler Pragmatismus, der einen Schneeballeffekt hervorrufen würde“ (LD 57).
Das kapitalistische Denken von Leistung und Wettbewerb wird als verlogen demaskiert: „Es gibt falsche Vorstellungen von der so genannten ‚Leistungsgesellschaft‘, die zu einer ‚verdienten‘ menschlichen Macht geworden ist, der sich alles unterordnen muss, zu einer Herrschaft derer, die unter besseren Entwicklungsbedingungen geboren wurden. Es ist eine Sache, eine gesunde Einstellung zum Wert der Anstrengung, zur Entwicklung der eigenen Fähigkeiten und zu einem lobenswerten Initiativgeist zu haben, wenn aber keine wirkliche Chancengleichheit angestrebt wird, wird dies leicht zu einer Projektionsfläche, die die Privilegien einiger weniger mit größerer Macht weiter festigt“ (LD 32). Franziskus kritisiert hier eine Logik der gesellschaftlichen Ungleichheit und setzt seinerseits auf eine ganzheitliche Ökologie, die er biblisch fundiert.
Er setzt für die Zukunft wenig Hoffnung in die alten Institutionen, die nur auf Machtgleichgewichte und die Wahrung der Macht der Stärksten ausgerichtet sind und fordert neue Formen von Multilateralismus von unten (LD 38). Franziskus sympathisiert darum mit radikalisierten Gruppen, weil deren Aktionen, z.B. bei Klimakonferenzen in positiver Weise Druck ausüben (LD 58). Die Hauptschuld für die Klimakrise sieht Franziskus bei den Reichen und Mächtigen und dem System, das Reiche und Mächtige hervorbringt und fordert darum eine ´Wirtschafts- und Lebensform der globalen Solidarität: „Wenn wir bedenken, dass die Emissionen pro Person in den Vereinigten Staaten ungefähr doppelt so hoch sind wie die eines Einwohners von China und circa siebenmal so hoch wie der Durchschnitt der ärmeren Länder, dann können wir bekräftigen, dass eine umfassende Veränderung des unverantwortlichen Lebensstils, der mit dem westlichen Modell verbunden ist, eine bedeutende langfristige Wirkung hätte. Zusammen mit den unentbehrlichen politischen Entscheidungen wären wir so auf dem Weg der gegenseitigen Fürsorge (LD 72).
Das Lehrschreiben ist hier abrufbar.