Krieg in der Ukraine

Am 6. März 2022  erschien auf katholisch.de ein Kommentar des Salzburger Dogmatikers Hans-Joachim Sander zum – nach seiner Überzeugung uneindeutigen – Verhalten von Papst Franziskus zum Ukraine-Krieg: Jede Person und jede Nation, jede Gesellschaft und jede Organisation, jeder Staat und auch jede verfasste Religion werden dadurch gefragt, wo sie jeweils stehen: auf der Seite autoritärer Macht und ihrer korrupten Bereitschaft zur Gewalt – oder dagegen.“

Das hört sich erstmal überzeugend an. Entpuppt sich aber als ein Freund-Feind-Denken, das in dieser Situation des Krieges Öl ins Feuer gießt. Deshalb hier eine Replik von Michael Ramminger auf diesen Kommentar Sanders‘.

Krieg

Das war ein Krieg mit Ansage. Und ich ertrage die Krokodilstränen über das Leiden „einer Nation, die um ihre Chance auf Demokratie und um humane Teilhabe an einem friedlichen Europa, das sie kulturell, wirtschaftlich, politisch weiterbringt“1 nicht. Worüber sollen wir reden bei diesem Krieg: Darüber, dass dem ehemaligen us-amerikanischen Außenminister Henry Kissinger (den man aus guten Gründen nicht mögen muss) schon 2014 klar war, dass sich das „Abdriften in Richtung Konfrontation beschleunigen wird, und die Zeit früh genug kommen wird …“. Dass an diesem Krieg die russische Regierung Schuld, aber viele, auch EU, Nato und US-Regierung verantwortlich sind? Das hier kein Schwarz-Weiß-Denken, kein Freund-Feind-Schema hilft? Das nicht auf der einen Seite die autoritäre Macht und auf der anderen Seite Freiheit und Wohlstand kämpfen? Dass dieser Krieg durch solches Denken befeuert, statt eingehegt oder beendet wird? Darf man über diesen Krieg so überhaupt noch reden, ohne Angst haben zu müssen, in Den Haag zu landen?

Ich jedenfalls erkläre hiermit, dass ich dieser Friedensbewegung nicht angehöre, die mal eben 100 Milliarden Euro für Drohnen, Panzer, Granaten, Sturmgewehre mobilisiert, die hinter ihrer eigenen Propaganda, ihrem eigenen übel stinkenden Antikommunismus, über vermeintliche Freiheits- und Wohlstandsangebote Europas vergisst, dass der Wohlstand hier auch auf solch irren Innovationen, wie nachhaltig produzierten und biologisch abbaubaren Waffen und Munition, auf den Kriegsgewinnen von Rheinmetall usw. beruht.

Haben all diese Putin-Hasser eigentlich schon verdrängt, dass sich hinter seiner vermeintlich häßlichen Fratze nur das Böse unserer „Demokratie und Wohlstandförderung“ verbirgt, die gerade dabei ist, ihrerseits die Welt an den Abgrund zu bringen. Es könnte sein, dass sie Putin so hassen müssen, um ihrer eigenen Komplizenschaft in die anderen tausend Kriege, in den Krieg gegen die Schöpfung und die Natur nicht ins Auge sehen zu müssen.

Ich hoffe, dass es nicht zu einer Wiederauflage deutschsprachiger Christen kommt, die junge Menschen für Demokratie und Wohlstand in den Krieg hineinziehen. Ich danke Papst Franziskus für seine Besonnenheit, dafür nicht auch Öl ins Feuer zu giessen. Dieser Krieg muss aufhören. So schnell wie möglich. Jeden Tag sterben in der Ukraine Menschen mit unterschiedlichen Pässen. Ich werde für keine Nation Partei ergreifen.  Denn so wurden und werden Kriege befeuert. Ich freue mich über jede Verhandlungsinitiative, ich möchte jeden Deserteur unterstützen, jedem Freiheits- Wohlstand- und Demokratie-Propagandisten, jedem russischem Reich-fantasierendem Präsidenten den Mund verbieten. Es steht wenig in meiner Macht.

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1Hans-Joachim Sander, https://www.katholisch.de/artikel/33366-die-ukraine-ist-im-krieg-und-wo-ist-der-papst

Siehe auch diese Erklärung ukrainischer PazifistInnen:
https://de.connection-ev.org/article:putin-und-selenskyj-redet-miteinander