Antwort auf den Prager Theologen und Philosophen Prof. Tomáš Halík und seine Polemik gegen die Friedensdemonstration in Berlin vom 25.02.2023:
Jeder hat das Recht auf Empörung lieber Herr Prof. Halík, aber christliche PazifistInnen als nützliche Idioten zu diffamieren, ist absolut inakzeptabel. Eine solche Rede zeugt von einem Freund-Feind-Denken und von einem Bellizismus, der seit einem Jahr schon nicht in der Lage ist, diesen grausamen Krieg zu beenden. Immer mehr Waffen türmen sich auf, immer mehr Menschen sterben.
Der Vergleich Putin-Hitler ist eine bloß rhetorische Figur, die keinen sachlichen Kern besitzt, sondern eben im Freund-Feind-Schema verbleibt, das der komplizierten Situation im Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht angemessen ist.
Der Weltfrieden wird nicht nur von den imperialen Plänen Russlands gefährdet, wie in den letzten Monaten viele Analysen gezeigt haben. Vielmehr verfolgen auch die anderen imperialen Mächte dieser Welt wie China, Europa oder die USA eigene machtpolitische Pläne in diesem Krieg. Gerade wir vom Institut für Theologie und Politik, die wir seit Jahrzehnten ein Ende der Ausbeutung afrikanischer, süd- und mittelamerikanischer Länder und Regionen fordern, wissen darum. Jeder Christ sollte eine solche globale Perspektive einnehmen, um nicht allzu schnell einseitiger Propaganda zu erliegen.
Letztes Jahr sagte der ukrainische Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk am 4. März: „Wir sehen heute, dass der Erzengel Michael zusammen mit der ganzen himmlischen Heerschar für die Ukraine kämpft. So viele Menschen aus der ganzen Ukraine wenden sich an mich und sagen, dass sie leuchtende Engel über dem Land der Ukraine gesehen haben.“ Wäre das die Position, die Ihnen, Professor Halík, angemessen erschiene?
Ganz ähnlich kritisch sollte man u.E. gegenüber der eigenen Regierung und ihrer Menschenrechtsrhetorik sein, mit der sie die Waffenlieferungen als einzig mögliche Perspektive zur Beendigung dieses Krieges legitimiert. Ebenfalls vor gut einem Jahr sagte unser Bundeskanzler in der Sondersitzung zum Krieg in der Ukraine im Blick auf Russland: „Unsere Planungen der nächsten Jahre werden wir an die veränderte Lage anpassen müssen. Dabei werden wir nicht auf die Antworten der Vergangenheit setzen, sondern im Gegenteil den Weg in die Zukunft entschlossener fortsetzen. Erneuerbare Energien leisten nämlich nicht nur einen Beitrag zur Energiesicherheit und -versorgung. Erneuerbare Energien lösen uns von Abhängigkeiten. Erneuerbare Energien sind deshalb Freiheitsenergien. Wir setzen auf Freiheitsenergien.”
Nun könnte man sagen, dass es der ukrainischen Bevölkerung egal sein könnte, wenn die bundesdeutsche Regierung ihre ökonomischen Interessen hinter Menschenrechtsdiskursen versteckt, solange sie Waffen liefert. Wenn, ja, wenn es denn nicht auch ein berechtigtes Misstrauen gegenüber der ukrainischen Regierung geben würde. Ob sie wirklich die Rettung ihres „Volkes“ im Kopf hat? Ich weiß nicht, ob „das“ ukrainische Volk hinter der Politik seiner Regierung steht. Das weiß offenkundig auch die Regierung nicht, warum sonst hätte Präsident Selensky ein Dekret erlassen, dass Verhandlungen mit Russland unter Strafe stellt?
Nach einem Jahr Krieg gegen die Ukraine sind sich fast alle Experten darüber einig, dass wir es mit einem Stellungskrieg, mit einem fürchterlichen Abnutzungskrieg (BND-Chef Bruno Kahl) zu tun haben. Vor einem Jahr hatten viele die Hoffnung, dass die russische Invasion mit der militärischen Unterstützung Europas und der Nato zurückgeschlagen werden könnte. Diese Hoffnung hat sich zerschlagen.
Kurz vor Weihnachten wurden in der Ukraine die Strafen für Befehlsverweigerung, unerlaubtes Verlassen der Truppe und Desertion unter feindlichem Feuer verschärft. „Das ukrainische Volk kämpft?“
Die Frage also ist, auf welcher Seite wir stehen. Wir stehen jedenfalls nicht auf der Seite irgendeines Nationalstaates, irgendeines „Volkes“, irgndeiner Regierung. Wir glauben, dass es jetzt unsere Aufgabe ist, uns auf die Seite all derer zu stellen, die sich egal, ob in Belarus, in der Ukraine oder in Russland, in Deutschland oder sonst wo der militärischen Logik entgegenstellen. Gefragt ist Antimilitarismus, gefragt ist „Krieg dem Krieg“. Oder mit Wolfgang Borchert: „Du. Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr machen – sondern Stahlhelme und Maschinengewehre, dann gibt es nur eins: Sag NEIN!“ Alles andere ist u.E. Naivität gegenüber der Weltgeschichte. Deshalb stellen wir uns auf die Seite derer, deren Anliegen sich auch Pro Asyl oder Connection e.V. zu eigen machen:
„Mit Blick auf Asyl oder einen anderen Aufenthaltsstatus müssen die EU-Länder nicht nur Kriterien für Deserteure entwickeln, sondern vor allem Lösungen für die größere Zahl der Militärdienstentzieher finden. Sie wären bei einer zwangsweisen Rückkehr nach Russland einer Rekrutierung für einen völkerrechtswidrigen Krieg unterworfen.Die EU sollte ein Aufnahmeprogramm beschließen, damit diejenigen russischen Staatsbürger*innen, die sich unter großem Risiko von der Regierung ihres Landes abgewandt haben, Möglichkeiten der Ausbildung und Beschäftigung erhalten.Ukrainische Kriegsdienstverweigerer, die in der Ukraine mehrjährige Haftstrafen befürchten müssen, verdienen ebenfalls die Unterstützung der EU und müssen Schutz erhalten. Die Ukraine ist aufzufordern, das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung umzusetzen…“ Pressemitteilung von Pro Asyl und Connection e.V vom 24. Februar 2023
Nochmal, sehr geehrter Herr Professor Halík: Sie schreiben, „um den Weltfrieden vor den imperialen Plänen von Putins Russland zu retten, ist es unerlässlich, die Verteidigung der überfallenen Ukraine schnell zu stärken.“ Diesen Weltfrieden gab es nie. Militarismus ist, wie wir derzeit sehen können, keine Lösung. Stellen Sie sich auf die Seite des Friedens!
Michael Ramminger für das Institut für Theologie und Politik Münster /März 2023