Internationale Stimmen zur Coronakrise

Auch unsere Freund*innen und viele Menschen in Lateinamerika sind von der Coronakrise betroffen. Wir halten es für sehr wichtig, jetzt unseren Blick und unsere Solidarität nicht auf den bundesdeutschen oder auch nur europäischen Tellerrand zu beschränken oder gar an ein nationale Wir-Gefühl zu appellieren. Vielmehr muss unsere Solidarität allen Menschen gelten, weltweit. Daran erinnern uns die mutigen Stimmen aus Chile und Mexiko, denen es gelingt die Pandemie ernst zu nehmen, aber gleichzeitig die Kritik an den Herrschenden und den Kampf für Leben, Gerechtigkeit und Würde fortzusetzen, auch unter widrigen Umständen. Ihnen gilt unsere Solidarität, ihren Kämpfen fühlen wir uns heute besonders verbunden, weil sie auch die unseren sind:

Kommentar zur Coronakrise der „ersten Reihe“ (Chile)

Die „erste Reihe“1 (vorderster Block der Proteste in Chile, der durch die Konfrontation mit der gewaltbereiten Polizei den hinteren Demonstrierenden die friedliche Teilnahme ermöglicht)

Weil wir die Fahne der Verteidigung der Menschen vor uns her tragen und uns der Grausamkeit des Coronavirus bewusst sind, rufen wir dazu auf, dass wir aufeinander aufpassen und Sorge für uns selbst und füreinander tragen.

Wir wollen die Ausbreitung des COVID19 weder vorantreiben noch fördern, deswegen werden wir uns als Allianz der vielen Gruppen aus der „ersten Reihe“ von den Straßen zurückziehen, zumindest für diese Woche. Leider ist es im Moment von größter Bedeutung, Massenveranstaltungen zu vermeiden.

Wir müssen gesund bleiben, um weiter zu kämpfen!

Wir haben alle ältere Familienmitglieder und Kinder und sollten überdies nicht vergessen, dass diese sowie Menschen mit chronischen Erkrankungen zur Risikogruppe gehören.

Stellt euch vor, wir treffen auf der Straße auf eine/n Überträger/in des Virus und sind dann verantwortlich für die Ansteckung unserer Lieben, wenn wir nach Hause kommen!

Die Regierung handhabt das Thema nach eigenen Interessen, und es liegt wieder einmal an uns, die massive Ausbreitung des Virus zu verhindern. Wir fordern die Verantwortlichen der Regierung dazu auf, die staatlichen Aktivitäten zu 100% stillzulegen und so die massive Ausbreitung des Virus zu verhindern. Als stimmberechtigte BürgerInnen werden wir es aber nicht zulassen, dass das Plebiszit am 26. April abgesagt wird. Deswegen ist eine so drastische Maßnahme von größter Bedeutung, bevor es zu spät ist.

Als „erste Reihe“ ist es unsere Aufgabe, auf die anderen aufzupassen und wir werden da jetzt keine Ausnahme machen. Wir hören nicht auf zu kämpfen, die Demonstrationen werden nicht beendet! Von zu Hause aus werden die „Cacerolas“ (Töpfe-Schlagen aus Protest) weiter ertönen und solange wir noch eine Stimme haben, werden wir weiter für ein gerechtes Land schreien.

Lasst uns verantwortungsvoll sein und auf uns aufpassen.

Allianz der Gruppen aus der „ersten Reihe“

1(Vorderster Block der Proteste in Chile, der durch die Konfrontation mit der gewaltbereiten Polizei den hinteren Demonstrierenden die friedliche Teilnahme ermöglicht)


EZLN schließt wegen Corona-Virus alle Caracoles und ruft dazu auf, die aktuellen Kämpfe nicht aufzugeben.

Kommuniqué Des geheimen Revolutionären Indigenen Komitees (CCRI) – Generalkommendatur (CG) des Ejército Zapatista de Liberaciín nacional (EZLN)

MEXIKO, 16. März 2020.

An den Pueblo Mexikos,
an die Pueblos der Welt,
an den Congreso Nacional Indígena (CNI) – Indigener Regierungsrat (CIG),
an die Sexta Nacional und Internacional,
an die Netzwerke des Widerstands und der Rebellion:

Schwestern, Brüder, Schwestern-Brüder,
Compañeras, Compañeros, Compañeroas,

WIR TEILEN EUCH MIT:

IN ERWÄGUNG der realen, wissenschaftlich erwiesenen Bedrohung des menschlichen Lebens, die eine Ansteckung mit COVID 19 – auch unter »Corona-Virus« bekannt – bedeutet,

IN ERWÄGUNG der frivolen Unverantwortlichkeit und fehlenden Ernsthaftigkeit der schlechten Regierungen, die ein humanitäres Problem dazu benutzen, um sich gegenseitig anzugreifen, anstatt die notwendigen Mittel zu ergreifen, um diese lebensbedrohende Gefahr – die keinerlei Unterscheidung macht zwischen Nationalität, Geschlecht, Ethnie, Sprache, Religion, politische Zugehörigkeit, gesellschaftliche Bedingtheit und Geschichte – zu konfrontieren,

IN ERWÄGUNG des Fehlens jeglicher wahrheitsgetreuer und angemessener Information über Tragweite und Schwere der Ansteckung, sowie des Nichtvorhandenseins eines tatsächlichen Plans, um sich dieser Gefahr entgegenzustellen,

IN ERWÄGUNG des zapatistischen Compromiso, der Selbstverpflichtung unseres Kampfes für das Leben,

HABEN WIR BESCHLOSSEN:

ERSTENS-. Den Alerta Roja, die Alarmstufe Rot, in unseren Pueblos, Comunidades und Barrios – unseren Gemeinschaften – und in allen zapatistischen Organisierungsinstanzen zu erlassen.

ZWEITENS-. Den Räten der Guten Regierung und den Räten der Autonomen, rebellischen zapatistischen Landkreise, die sofortige komplette Schließung aller Caracoles und Zentren des Widerstands und der Rebellion zu empfehlen.

DRITTENS.- Den (zapatistischen) Unterstützungsbasen und jeglicher (zapatistischer) Organisierungsstruktur zu empfehlen, einer Reihe außerordentlicher Hygiene-Empfehlungen und -Maßnahmen zu folgen, die ihnen in den zapatistischen Pueblos, Comunidades, Barrios übermittelt werden.

VIERTENS-. Angesichts der Abwesenheit der schlechten Regierungen: Alle – Frauen, Männer und Andere – in Mexiko und der Welt zu mahnen, die notwendigen Gesundheitsmaßnahmen zu ergreifen, auf wissenschaftlichen Grundlagen, die es Euch erlauben, diese Pandemie zu überstehen – und zwar lebend.

FÜNFTENS-. Wir rufen dazu auf, den Kampf gegen die Gewalt der Feminizide nicht aufzugeben, den Kampf in Verteidigung von Land und Madre Tierra fortzuführen, den Kampf für die Verschwunden gemachten, Ermordeten und Eingeknasteten aufrechtzuerhalten – und die Fahne des Kampfs für die Menschheit hoch zu halten.

SECHSTENS-. Wir rufen dazu auf, nicht den menschlichen Kontakt zu verlieren, sondern zeitweise die Formen zu ändern, um uns wissen zu lassen, wir sind uns Compañeras, Compañeros, Compañeroas und Schwestern, Brüder, Schwestern-Brüder.

Das Wort und das Zuhören – mit dem Herzen – geht viele Wege, hat viele Formen, beinhaltet viele Kalender und Geographien – um sich zu treffen, sich zu finden. Dieser Kampf für das Leben kann einer davon sein.

Das ist alles.

Aus den Bergen des Südosten Mexikos.
Für das Geheime Revolutionäre Indigene Komitee (CCRI) – Generalkommandantur (CG) des Ejército Zapatista de Liberación Nacional – EZLN.

Subcomandante Insurgente Moisés.
Mexiko, März 2020.