Der chilenische Befreiungstheologe Ronaldo Muñoz ist am Dienstag, den 15. Dezember in Santiago de Chile gestorben

Die Kirche, die ich liebe
Wenige Kathedralen aus Stein und Gold,
viele Kapellen aus Lehm und Brettern.
Wenige Reiche, die sich Gleichglütigkeit angewöhnt haben,
viele Arme, die im Teilen von Leid erfahren sind.
Wenige berechnende und kluge Gelehrte,
viele einfache Leute, die von Glauben und Hoffnung wissen.
Wenige Lehrer, die sich ihrer Lehre sehr sicher sind,
viele Zeugen, die wirklich zuhören.
Wenige Macht von Karrierepriestern,
viel demütiger Dienst an den kleinsten Schwestern und Brüdern.
Wenige Zeremonien in Palästen und Kasernen,
viele Feste in Dörfern und Stadtrandvierteln.
Wenige Segnungen von Waffen, Banken und Regierungen,
viele Märsche für Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit.
Wenig Angst vor dem Gott der Strafe und des Todes,
viel Ehrfurcht vor dem Gott der Liebe und des Lebens.
Wenig Gottesdienste mit dem Rücken zum Volk.
für Christus als ewigen König in der Höhe,
viel Liebe für Jesus, den Begleiter, Propheten, Sohn des Vaters.
So ist die Kirche, die ich liebe.
(Ronaldo Muñoz)

Ronaldo Muñoz, geboren 1933, war Priester in der Ordengemeinschaft der Arnsteiner Patres (Kongregation von den Heiligsten Herzen Jesu und Mariens und der ewigen Anbetung des Allerheiligsten Altarsakramentes). Ein brillianter Theologe, der Schüler des Professors Norbert Schiffers in Regensburg war und dessen Promotion Schiffers mit summa cum laude auszeichnete. In den 70er Jahren entschied Ronaldo sich für die Arbeit mit den Armen und bekämpfte von dort aus die Diktatur Agusto Pinochets in Chile. Sein Denken und seine Arbeit stellte er in den Dienst einer theologischen Reflexion, die aus dem Dialog mit den Armen entsteht, gegen das Unrecht an den Armen aufsteht und sie zum Widerstand ermutigt. Aus diesem Grunde wurde er zusammen mit anderen BewohnerInnen eines Armenviertels von Santiago de Chile im April 1974 inhaftiert. „Wir waren mit den Bewohnerinnen versammelt, um zu überlegen, wie wir die Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgen könnten“, erzählte er in einem Interview vom Januar 2009. Da kam die Polizei, angestiftet von zwei Menschen, die uns beschuldigten andere Dinge zu organisieren. Wir wurden körperlich und seelisch misshandelt und dann den Militärs übergeben. Diese brachten uns in die Villa Grimaldi (dem berüchtigten Folterort der Chilenischen Militärdiktatur). Wir wurden Verhören unterzogen und einige junge Leute wurden gefoltert. Ich wurde die ganze Zeit mit verbundenen Augen in einem Klosett von weniger als einem Quadratmeter gefangen gehalten. Die schlimmste Erfahrung in dieser Nacht bestand darin, dass wir einer Schein-Hinrichtung unterzogen wurden. Wir wurden nur gerettet, weil – durch einen befreundeten Priester alarmiert – Kardinal Silva Henriquez (der damalige Erzbischof von Santiago) selbst uns dort herausholte.“
Bei den Generalversammlungen der Bischöfe aus Lateinamerika und der Karibik in Puebla (1979), Santo Domingo (1992) und Aparecida (2007) hat Ronaldo Muñoz als Berater fungiert und wichtige Anstöße für die lateinamerikanische Ekklesiologie formuliert. Wir danken Ronaldo für seine zärtliche geistvolle Solidarität. Durch sein Beispiel und seine Schriften fühlen wir uns in unserem Engagement an der Seite der Armen dieser Welt bestärkt.
Norbert Arntz

Vorrangig
von Ronaldo Muñoz
Das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit
vor der eigenen Sicherheit.
Das Leben der Armen
vor dem Besitz der Reichen.
Offener Austausch mit den Mitmenschen
vor Autorität und Disziplin.
Zeit für Zärtlichkeit und Spiel
vor Gewinn und Aufstieg.
Der Glaube des einfachen Menschen
vor dem Ansehen der Kirche.
Vergessene Wahrheiten,die uns frei machen würden.