Am 30. Mai 2025 hat sich Papst Leo XIV. mit einer Ansprache an Teile der italienischen Friedensbewegung gewandt. In Zeiten, in denen das Töten und Sterben in Gaza und der Ukraine wie in anderen Teilen der Welt weitergeht und ein Diskurs von Aufrüstung und Militarisierung in unserer Gesellschaft dominiert, ist es ermutigend zu sehen, dass Papst Leo XIV. von Anfang seines Pontifikats an den Kurs von Papst Franziskus fortsetzen möchte und entschieden für friedliche Lösungen, also ein sofortiges Ende der militärischen Gewalt und die Beendigung der Aufrüstungsspirale, eintritt. Besonders freut es uns, dass er ebenso wie sein Vorgänger dabei nicht allein an die Herrschenden der Welt appelliert, sondern auf die Zusammenarbeit mit den Bewegungen von unten setzt und in deren kreativen, entschiedenen Engagements für den Frieden ein Zeichen der Hoffnung erkennt. So fordert er dazu auf, die Logik des Krieges, der nationalen Sicherheit und des Militärs umzudrehen. Dem widersinnigen Spruch, dass wer den Frieden will, für den Krieg rüsten solle, setzt er eine andere Logik entgehen: Wer Frieden will, muss den Frieden vorbereiten. Diesen Text möchten wir hier in deutscher Übersetzung veröffentlichen:
Liebe Brüder und Schwestern,
ich freue mich, euch, die Mitglieder der Bewegungen und Vereinigungen, die vor einem Jahr das große Treffen „Arena di Pace“ (Friedensarena) in Verona unter Beteiligung von Papst Franziskus ins Leben gerufen haben, willkommen zu heißen. Mein besonderer Dank gilt dem Bischof von Verona, Monsignore Domenico Pompili, sowie den Comboni-Patres. Bei dieser Gelegenheit bekräftigte der Papst, dass der Aufbau des Friedens damit beginnt, sich auf die Seite der Opfer zu stellen und ihren Standpunkt zu teilen. Diese Perspektive ist unerlässlich, um Herzen, Blicke und Köpfe zu entwaffnen und die Ungerechtigkeiten eines Systems anzuprangern, das tötet und auf einer Wegwerf-Kultur basiert.
Wir können die mutige Umarmung zwischen dem Israeli Maoz Inon, dessen Eltern von der Hamas getötet wurden, und dem Palästinenser Aziz Sarah, dessen Bruder von der israelischen Armee getötet wurde, nicht vergessen. Die beiden sind heute Freunde und Mitarbeiter: Diese Geste bleibt als Zeugnis und Zeichen der Hoffnung. Wir danken ihnen, dass sie auch heute wieder hier sein wollten.
Der Weg zum Frieden erfordert Herzen und Köpfe, die geschult und darauf ausgerichtet sind, auf den anderen zu achten und das Gemeinwohl im heutigen Kontext zu erkennen. Der Weg zum Frieden ist ein gemeinschaftlicher Weg, der über die Pflege gerechter Beziehungen zwischen allen Lebewesen führt. Der Friede, so hat Johannes Paul II. gesagt, ist ein unteilbares Gut, entweder gehört er allen oder er gehört niemandem (vgl. Enzyklika Sollicitudo rei socialis, 26). Er kann wirklich errungen und genossen werden, als Lebensqualität und als ganzheitliche Entwicklung, nur wenn im Bewusstsein „eine feste und beharrliche Entschlossenheit zum Einsatz für das Gemeinwohl“ (ebenda, 38) geweckt wird.
In einer Zeit wie der unseren, die von Schnelligkeit und Unmittelbarkeit geprägt ist, müssen wir die notwendigerweise langen Zeiten wiederfinden, damit diese Prozesse stattfinden können. Die Geschichte, die Erfahrung und die vielen guten Praktiken, die wir kennen, haben uns verstehen lassen, dass echter Friede derjenige ist, der aus der Realität (Orte, Gemeinschaften, lokale Institutionen usw.) heraus und in ihr entsteht. Gerade deshalb erkennen wir, dass dieser Friede möglich ist, wenn die Unterschiede und Konflikte, die er mit sich bringt, nicht beseitigt, sondern anerkannt, angenommen und überwunden werden.
Deshalb ist Ihr Engagement als Volksbewegungen und Vereinigungen besonders wertvoll: Durch konkretes Handeln „von unten“, im Dialog mit allen Seiten und mit der Kreativität und Genialität, die aus einer Kultur des Friedens hervorgehen, treibt ihr Projekte und Aktionen im Dienst an den Menschen und dem Gemeinwohl voran. Auf diese Weise weckt ihr Hoffnung.
Liebe Brüder und Schwestern, es gibt zu viel Gewalt in der Welt, es gibt zu viel Gewalt in unseren Gesellschaften. Angesichts von Kriegen, Terrorismus, Menschenhandel und weit verbreiteter Aggressivität brauchen Kinder und Jugendliche Erfahrungen, die sie zu einer Kultur des Lebens, des Dialogs und des gegenseitigen Respekts erziehen. Und vor allem brauchen sie Zeugen für eine andere, gewaltfreie Lebensweise. Wenn also diejenigen, die Ungerechtigkeit erlitten haben, und die Opfer von Gewalt der Versuchung zur Rache widerstehen können, werden sie auf lokaler und alltäglicher Ebene bis hin zur Weltordnung zu den glaubwürdigsten Protagonisten gewaltfreier Friedensprozesse. Gewaltfreiheit als Methode und Lebensstil muss unsere Entscheidungen, unsere Beziehungen und unser Handeln prägen.
Das Evangelium und die Soziallehre sind für Christen die ständige Nahrung für dieses Engagement, können aber gleichzeitig ein gültiger Kompass für alle sein. Denn es handelt sich in der Tat um eine Aufgabe, die allen, Gläubigen und Nichtgläubigen, anvertraut ist und die sie durch Reflexion und Praxis, inspiriert von der Würde des Menschen und dem Gemeinwohl, ausarbeiten und verwirklichen müssen.
Wenn du Frieden willst, bereite Institutionen des Friedens vor. Wir werden uns immer mehr bewusst, dass es nicht nur um politische, nationale oder internationale Institutionen geht, sondern dass alle Institutionen – Bildungs-, Wirtschafts- und Sozialinstitutionen – gefordert sind. In der Enzyklika Fratelli tutti wird mehrfach auf die Notwendigkeit hingewiesen, ein „Wir“ zu schaffen, das sich auch auf institutioneller Ebene niederschlagen muss. Deshalb ermutige ich euch, euch zu engagieren und präsent zu sein: präsent im Teig der Geschichte als Sauerteig der Einheit, der Gemeinschaft, der Geschwisterlichkeit. Die Geschwisterlichkeit muss entdeckt, geliebt, erfahren, verkündet und bezeugt werden, in der zuversichtlichen Hoffnung, dass sie dank der Liebe Gottes möglich ist, „die durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen ist“ (Röm 5,5).
Liebe Freundinnen und Freunde, ich danke euch für euer Kommen. Ich bete für euch, dass ihr mit Ausdauer und Geduld wirken möget. Ich begleite euch mit meinem Segen. Danke!
Übersetzung aus dem Englischen: Norbert Arntz, Kleve