Warum der Amazonas viel mit dem lieben Gott und manchmal wenig mit Kirchenfürsten zu tun hat

Am 27. Juni 2019 hat kath.net eine scharfe und polemische Kritik von Kardinal Walter Brandmüller an der sog. „Amazonas-Synode“ veröffentlicht: „Was haben – so fragt man – Ökologie, Ökonomie und Politik mit dem Auftrag der Kirche zu tun?“ Darauf antwortet ihm der brasilianische Befreiungstheologe und Benediktinermönch Marcelo Barros mit hier vorliegendem Text. Bis auf die Formulierung „westliche Kultur“, die wir für zu emblematisch halten, teilen wir seine Antwort und halten sie für richtig und notwendig. Die Synode wird im Oktober stattfinden, zur gleichen Zeit werden wir mit anderen Gruppen vom 18.-20. Oktober im deutschen Braunkohlerevier eine begleitende „Klima-Synode“ abhalten. Warum das etwas mit unserem Gottes- und Kirchenverständnis zu tun hat, erläutert Marcelo Barros in seinem Text umfänglich. Wir werden die Diskussion um die Synode hier auch weiter verfolgen.

Antwort auf den Artikel des Kardinals

Ich habe in der Zeitschrift IHU Unisinos den Artikel gelesen, in dem der deutsche Kardinal Walter Brandmüller, einer der großen Gegenspieler von Papst Franziskus, die Amazonas-Synode verurteilt und die Synode anklagt, dass sie unbegründet sei (dass er keinen Sinn darin sieht, eine universale Synode einzubrufen, der es um eine brasilianische Region geht, die Amazonien sei). Er wirft dem Arbeitsdokument der Synode (Instrumentum Laboris) vor, dass es ketzerisch und abtrünnig sei, weil es nicht auf der Tradition der Kirche oder auf den Dokumenten früherer Konzile beruhe. Er bittet die Bischöfe, die Synode abzulehnen und für nichtig zu erklären (siehe https://www.kath.net/news/68373; port.: http://www.ihu.unisinos.br/78-noticias/590382-heretico-y-apostata-el-cardenal-brandmueller-excomulga-al-sinodo-para-la-amazonia).

Es ist gut, dass Kardinal Brandmüller klar und deutlich zum Ausdruck bringt, was leider auch hier in Brasilien und in Amazonien nicht wenige Bischöfe, Priester und katholische Gruppen (wir sprechen von der katholischen Kirche) untereinander denken und sagen. Die Tatsache, dass er klar sagt, was er denkt, ermöglicht eine Reflexion und Reaktion. Andere, die es vorziehen, nicht klar zu sagen, was sie denken, verhindern nicht nur einen aufrichtigen Dialog, sondern sogar eine Debatte, die der einen oder anderen Seite helfen könnte.

  1. Der Kardinal hat Recht, dass die Synode über Amazonien, wie sie von Grund auf vorbereitet wird und wie sie im Arbeitsdokument vorgestellt wird, wirklich eine immense Veränderung gegenüber dem Modell einer Kirche darstellt, das den christlichen Glauben mit der westlichen Kultur identifiziert und diesen auf allen Kontinenten durchgesetzt hat. Das Arbeitsdokument folgt dem Apostolischen Schreiben von Papst Franziskus Episcopalis Communio (2018), in dem es heißt: „Die Synode muss ein bevorzugtes Instrument des Hörens auf das Volk Gottes sein“ (EC 6). Das Instrumentum Laboris der Synode spricht von der Kirche als Hörerin und besteht in ihrem ersten Teil aus dem liebevollen und spirituellen Hören auf die Stimme Amazoniens. So einen Vorschlag gab es in dieser Form für keine andere Synode.
  2. Er hat auch Recht, wenn er wahrnimmt, dass der Bezugspunkt des Instrumentum laboris der Synode das Leben der unterdrückten Völker ist, die gute Nachricht vom Reich Gottes (d.h. das Evangelium Jesu), das auf dem Weg der Befreiung dieser Völker gegenwärtig und lebendig ist und die Herausforderung einer kirchlichen Mission ist, die von dieser Wirklichkeit ausgeht und dass das Arbeitspapier nicht von der Tradition oder von päpstlichen Dokumenten ausgeht.
  3. Er hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass es selbst nach mehr als 50 Jahren ökumenischen Weges und interreligiösem Dialogs das erste Mal ist, dass ein Dokument, das eine Synode vorbereitet, auf diesem Niveau im Dialog mit dem Wissen der ursprünglichen Völker Amazoniens steht (Nr. 29). Es geht also nicht so sehr darum, andere zu evangelisieren, sondern vor allem um die Bekehrung (der Kirche selbst) und darum, drei Ebenen oder Aspekte der Bekehrung zu benennen: die pastorale Bekehrung (basierend auf Evangelii Gaudium), die ökologische Bekehrung (ausgehend von Laudato si) und sogar selbst die Bekehrung zur kirchlichen Synodalität (im Einklang mit der bischöflichen Gemeinschaft).
. Widerstand gegen die Zerstörung in Amazonien. Foto: Rafael Salazar

Der Kardinal kann sich nur wundern, dass das Arbeitsdokument der Synode einen Prozess des synodalen Zuhörens vorschlägt, der während der Synode in Rom stattfinden soll, aber über das Ereignis in Rom hinaus und an der Basis und in der ganzen Welt weitergehen soll.

Selbstverständlich könnten einige Dinge geklärt werden:

  • Es wäre gut, wenn der Kardinal verstehen würde, dass die Amazonasregion neun Länder betrifft und nicht nur Brasilien. Zu wissen, dass die Region die Lungen des Planeten sind und dass das Land insofern ein theologischer Ort (Nr. 23 ff.) ist, ein bedeutungsstiftender Ort für den Glauben oder der Erfahrung Gottes in der Geschichte, so wie es der Berg Horeb für Mose und die Hebräer (Ex 3) war.
  • Der Kardinal könnte sich auch daran erinnern, dass der Papst, den er immer wieder zitiert, Johannes Paul II., eine universelle Bischofssynode für Asien, eine zweite zu Afrika und eine über Ozeanien und Amerika einberufen hat; ganz zu schweigen von den Synoden, die sich immer auf Europa bezogen. Warum kann er also nicht eine Sondersitzung über eine so wichtige Region wie Amazonien, die Lunge der Welt, abhalten?
  • Um die geleistete Arbeit zu dekonstruieren und zu zerstören, ruft der Kardinal Konzilien und Tradition auf, ohne jedoch irgendetwas bestimmtes zu zitieren. Darüber hinaus liest und interpretiert er wie immer die Dokumente in seiner Exegese der Kontinuität und des Traditionalismus.

Ich denke, wir müssen ihm für die Zusammenarbeit danken, die darin besteht, eine Diskussion auszulösen, die eine Vertiefung der Debatte erfordert und den Bischöfen und den anderen Teilnehmern der Synode helfen würde, nicht nur auf die Stimme und die Gedanken derer zu hören, die von oben herab und aus der westlichen Tradition denken, sondern vom Wort Gottes aus, wie es von der Basis kommt, und von vielen Brüder und Schwestern, die an den vorangegangenen Konsultationen teilgenommen haben und deren Vorschläge in vielen der Stellungnahmen des Dokuments enthalten sind (Instrumentum Laboris).

Zerstörung im Hambacher Wald. Foto: privat

Zweifelsohne weiß der Kardinal, dass in der Bibel, als der Prophet Elia meinte, Gott im Horeb zu begegnen, Gott sich ihm nicht nach der Tradition des Exodus offenbarte, sondern in einer neue Weise der Stille des Abendwindes (1 Könige 19) und als Johannes der Täufer seine Jünger aussandte, um Jesus zu fragen, ob er wirklich der verheißene Messias sei, obwohl er nach der Schrift nicht der Tradition zu entsprechen schien (so, wie dem Kardinal das Synodendokument der Tradition nicht zu entsprechen scheint), gab Jesus als Antwort die Tatsache, dass „die Blinden sehen, die Tauben hören, die Kranken geheilt werden und den Armen das Evangelium vom Reich der Befreiung verkündet wird“ (Mt 11,1-11).

Wenn wir dieses Wort Jesu und des Verständnisses seiner Sendung neu lesen, muss man es eigenartig finden, dass sich der Kardinal fragt, was Ökologie und die Lebensbedingungen der Menschen mit der Sendung der Kirche zu tun haben… Jetzt aber gibt es eine neue Bedeutung: die Bekehrung zum Evangelium voranzutreiben und zu verstehen, dass, wie es im Vorbereitungsdokument zur Synode heißt, die Evangelisierung auf der Grundlage des Dialogs und im Dienst am Lebens und der Zukunft des Planeten erfolgen muss (Nr. 35).

Sowohl der Kardinal als auch wir müssen immer offen für das Neue sein, d.h. für das, was „der Geist heute den Kirchen sagt“ (Offb 2,5). Zählen Sie auf mich in diesem geschwisterlichen Dialog

Es umarmt Sie Ihr Bruder Marcelo Barros

(Übersetzung: M. Ramminger)