Ursprüngliche Kritik der Befreiungstheologie gegen sie selbst wenden?

In ihren Anfängen in den 60er und 70 er Jahren formulierten Befreiungstheologen  die Kritik an der abendländisch-europäischen Theologie, dass diese  auf sich selbst bzw. auf die (europäische) Philosophie bezogen sei. Dagegen sei es notwendig, dass sich Theologie auf die Realität, auf die herrschende Ungerechtigkeit in der Welt, auf den Zustand der Schöpfung Gottes beziehe. Die europäische Theologie reflektiere auf ihre eigene theologische – und philosophische – Produktion der Vergangenheit und  erneuere und aktualisiere diese nur, nötig sei aber eine Theologie, die die Realität zum Ausgangspunkt nimmt, diese im Licht des Evangeliums bewerte und damit zu Handlungsoptionen komme.Auf dem Weltforum für Theologie und Befreiung, das zeitgleich mit dem Weltsozialforum in Dakar/Senegal stattfindet, zeigte sich an den ersten Tagen, dass es durchaus notwenig ist, diese Kritik aus der Anfangszeit der Befreiungstheologie gegen die hier präsentierte Theologie der Befreiung zu wenden: Die meisten Beiträge bezogen sich eben nicht auf ein aktuelles gesellschaftliches Thema  Migration, gesellschaftliche Aufbrüche in den Ländern Nordafrikas, Militarisierung und Frieden, Armut und Ausbeutung oder Zerstörung der Lebensgrundlagen durch Naturausbeutung; Referenzpunkte waren vielmehr die  Theologie der Befreiung selbst (ihre Entstehungskontexte der 60er und 70er Jahre in Lateinamerika) oder idealistisch-abstrakte Konzepte eines interreligiösen Dialogs, einer  planetarischen oder interkulturellen Theologie oder eines globalen Weltethos.In Workshops  am zweiten und dritten Tag des Weltforums für Theologie und Befreiung wurde zwar deutlich, dass es durchaus die Möglichkeit gibt, an heutiger sozialer Realität theologisch anzuknüpfen und diese Realität auf einen theologischen Begriff zu bringen, indem zum Beispiel MigrantInnen zu Wort kommen, die von ihren Erfahrungen berichten, dies war allerdings eher die Ausnahme, auch für die Mehrheit der Workshops gilt: Es gibt eine Notwendigkeit, der ursprüngliche, theologiekritische  Anspruch  der Befreiungstheologien muss aktualisiert werden und auf sie  selbst angewendet werden.