Eine herz- und seelenlose EU

Eine herz- und seelenlose EU

Leonardo Boff

Die europäische Abschiebe-Richtlinie, auch genannt Richtlinie für Deportation und Schande für illegale Einwanderer offenbart eine inhumane Facette, die die europäische Kultur immer hatte und die schwerlich verborgen bleibt. Es ist eine Identitätskultur. Sie hat immense Schwierigkeiten, mit dem Anderen zusammenzuleben: Sie eignet es sich entweder an, ordnet es sich unter oder zerstört es. Sie hat praktisch die ganze bekannte Welt mit dem Kreuz und dem Schwert erobert, sie sich unterjocht und ermordet.
Sie hat, nach dem Historiker Oswald Spengler und seinem Buch „Der Untergang des Abendlandes“ am Ursprung der Moderne den größten Genozid der menschlichen Geschichte hervorgebracht.
Wo es in Lateinamerika früher 23 Indigenas gab, so sagt uns der Anthropologe Darcy Ribeiro, blieb hundert Jahre später nur noch einer übrig. Danach herrschten die übriggebliebenen Völker, beuteten die Naturrohstoffe aus, die der Industrialisierung und der Bereicherung dienten, und die bis heute ihre ungerechten Vorteile ausmachen. Ihre Geschäfte und ihre Industrie schwimmen auf Flüssen voller Blut, Schweiß und Tränen. Es ist eine Kultur, die auf Macht und Herrschaft gebaut ist.
Und nun mißachten sie verschiedene Artikel der Erklärung der Menschenrechte von 1948 (wann haben sie sie je respektiert?) sie malträtieren Immigranten, behandeln uns und selbst Kinder wie Kriminelle, die ohne juristisches Urteil oder Verwaltungsverfahren eingesprerrt werden können. Sie sehen Konzentrationslager für sie vor. Hinter diesen Immigranten verbergen sich menschliche Tragödien. Sie sind dort, weil sie überleben und ihren Familien helfen wollen, die sie in ihren Heimatländern zurückgelassen haben.
Welche ein Widerspruch: Im 19. Jhrdt. waren die Überflüssigen des Industrialisierungsprozesses, diejenigen, die eine Gefahr für die Stabilität des ursprünglichen, wilden Kapitalismus darstellten, wie Marx vorhergesehen hatte, für die Exportation vorgesehen. Ich sehe hier keinen dieser Leute. Diese Verarmten und Schmerzbeladenen hatten Vorrang, wie meine italienischen Großeltern.
Alle waren mit Tracoma infiziert, was in der damaligen Zeit schwer zu heilen war. Ich selbst bekam diese Krankheit als Kind, wie alle im Innern in unserer Region Santa Catarina, wo heute die grossen Lebensmittelkonzerne Sadia und Perdigão ansässig sind, die bekannt für ihre guten Produkte sind.
In Brasilien wurden die Menschen großzügig aufgenommen. Sie bekamen Land, halfen Brasilien aufzubauen und mit Hilfe des natürlichen Reichtums, den Gott uns geschenkt hatte, können wir den Tisch für die Hungernden des ganzen Landes decken.
Die Politik der europäischen Gemeinschaft heute zeigt keine Gegenseitigkeit. In solchen Entscheidungen offenbart sich Grausamkeit und Mitleidslosigkeit. Lauro Santayana, der beste unserer Jornalisten, berichtet uns in der JB vom 22/06, dass in den achtziger Jahren amerikanische und euroipäische Ökonomen und Soziologen unter der Patenschaft von Banken zusammenfassten, dass wir den Konsum der Welt um 4/5 reduzieren müssten, um wenigsten die Erhalteung des Planeten zu sichern und die Privilegien der 20% der Reichsten zu erhalten. Alle anderen müssten bis hin zu ihrer Auslöschung marginalisiert werden.
Es scheint, als ob der Völkermord in die Gene dieses Typen von Menschen eingeschrieben ist, die für fast alle Kriege des letzten Jahrhunderts verantwortlich sind. Diejenigen, denen die Kultur als reine Aufklärung gefällt, erinnere ich daran, was Immanuel Kant (+1804)in seinem ewigen Frieden (1795) sagte: Die erste Tugend einer Weltrepublik sei die „allgemeine Gastfreundschaft“ als Recht und Pflicht aller. Alle sind auf dem Planeten Erde, sagt er, und haben das Recht, seine Länder und Völker zu besuchen, denn die Erde gehört allen gemeinsam.

Nur der anti-abendländische Geist wie der des Franz von Assisi, Johannes XXIII, Martin Luther King und Mutter Theresa können ein Paradigma anbieten, dass die Regierungen von der Verfluchung des Lebens und dem heiligen Zorn, der über ihm schwebt, befreien und retten kann