Archiv der Kategorie: Allgemein

Wann beginnt der Vorkrieg?

Eine Erklärung des AK-ReligionslehrerInnen zur Bundesbildungsministerin

Wir müssen den Mut haben, den Kindern den Frieden zu erklären!“ (Hermann Steinkamp)

Während des Höhepunktes der nuklearen Aufrüstung Anfang der 1980er Jahre schreibt Christa Wolf die Erzählung „Kassandra“. In ihr stellt sie eine noch immer gültige Frage:

„Wann Krieg beginnt, das kann man wissen, aber wann beginnt der Vorkrieg. Falls es da Regeln gäbe, müsste man sie weitersagen, in Ton, in Stein eingraben, überliefern. Was stünde da? Da stünde, unter andern Sätzen: Lasst euch nicht von den Eignen täuschen.“

Der Vorkrieg hat spätestens dann begonnen, wenn von Frieden zu sprechen als Feigheit interpretiert wird, wenn nicht mehr gesagt werden darf, dass ein Weg zu einem Frieden nur über Verhandlungen möglich ist und wenn die einzig denkbare Form des „Friedens“ der Siegfrieden ist. Der Vorkrieg hat auch dann begonnen, wenn die Kriegsrhetorik sich in alle Fasern einer Gesellschaft ausbreitet – auch in die Schulen. Wann beginnt der Vorkrieg? weiterlesen

Elf Jahre Pontifikat Franziskus

Michael Ramminger, 13.03.2024

Heute vor elf Jahren begann das Pontifikat von Papst Franziskus. Die Wahl dieses Papstes war ein bewegender Moment nach all der nachkonziliaren Erstarrung und Rückwärtsgewandheit der Vorgängerpäpste. Schon sein erster öffentlicher Auftritt verwies auf seine Anliegen: Er verzichtete auf die traditionellen roten Schuhe und trug stattdessen seine normalen Straßenschuhe. In der bundesdeutschen katholischen Öffentlichkeit war die Begeisterung für den neuen Papst groß. Er schien eine Kirche und eine Theologie zu wollen, die sich den Problemen der Welt, den „Zeichen der Zeit“ stellt. Elf Jahre Pontifikat Franziskus weiterlesen

Seminar: Pädagogik der Leere

5.-7. April 2024: Seminar des Arbeitskreises Religionslehrer*innen am ITP zur „Pädagogik der Leere“ im Haus Wasserburg in Vallendar (Rheinland-Pfalz)

Das Schuljahr, die Schulstunde ist minutiös geplant. Zielorientierung ist das A und O. Selbst für die Pause, also die Zeit am Kopierer, werden uns Entspannungsübungen empfohlen, um die Zeit zu „nutzen“. Auch unsere politischen Ziele und Hoffnungen scheinen in der Praxis schnell nach einer Konkretisierung zu rufen. Gerne würden wir mit mehr Ergebnis handeln, Ziele erreichen, die Welt verändern. Wir glauben, um die Welt wirklich zu verändern, braucht es nicht noch mehr Druck und Katastrophismus, sondern Zeit für eine Unterbrechung, für einen freien Raum ohne Unterwerfung unter die gegebene Ordnung. Wir brauchen Zeit und Muße für die Erfahrung dessen, was das ganz Andere sein könnte. Diesen leeren Raum wollen wir mit euch aus verschiedenen Richtungen umkreisen: Wir befragen Ansätze aus der feministischen Psychoanalyse und der Kritischen Theorie sowie Texte von Autor*innen wie etwa Simone Weil und Franz Kafka und diskutieren darüber. Pädagogik der Leere? Ein Versuch. Seminar: Pädagogik der Leere weiterlesen

Enrique Dussel

Pilar Puertas
EnriqueDusselEnrique Dussel, argentinisch-mexikanischer Philosoph, Historiker, Theologe und kritischer Denker und einer der größten linken Intellektuellen Lateinamerikas, ist am 5. November in Mexiko-Stadt gestorben.
Dussel wurde 1934 in der Provinz Mendoza, Argentinien, geboren. Er schloss 1957 sein Philosophiestudium an der Universidad Nacional del Cuyo ab. Er reiste nach Europa und promovierte an der Universität Complutense in Madrid. Zwei Jahre lang lebte er in Nazareth bei dem Theologen Paul Gauthier in einer Gemeinschaft palästinensischer Zimmerleute. Diese Erfahrung prägte ihn so sehr, dass er 1959 an einen Freund schrieb: „Eines Tages werden wir die Geschichte Lateinamerikas von der anderen Seite her schreiben müssen, von unten, von den Unterdrückten, von den Armen“. Enrique Dussel weiterlesen

Israel – Gaza

Israel – Gaza

Michael Ramminger, 17.10.2023

Jetzt wird immer deutlicher, dass das eintritt, was vor einer Woche schon klar war, aber nicht gesagt werden durfte: Den schrecklichen Angriffen der Hamas auf Menschen in Israel folgen die schrecklichen Gegenangriffe der israelischen Armee auf Gaza. Die Spirale der Gewalt soll sich weiterdrehen und sie hat nicht erst letzte Woche begonnen. Sie trifft PalästinenserInnen und Israelis gleichermaßen. Während das Massaker der Hamas in Israel nach einigen Stunden vorbei war, geht das Sterben und Elend in Gaza weiter, und ein Ende ist nicht in Sicht.

Was dort jetzt geschieht, bewegt sich jenseits des Völkerrechts, jenseits von Kriegsrecht. Aber es bewegt sich ebenfalls jenseits der Menschlichkeit. Und jetzt höre ich sie schon, die Stimmen, die uns vorwerfen, die Gräueltaten der Hamas zu verharmlosen, nicht ausreichend zu thematisieren. Was auch immer alles hinter solchen Einwänden steckt: ob das heimliche Einverständnis mit Vergeltungsgedanken, der Versuch im Antisemitismusvorwurf gegen mahnende Stimmen zu verschleiern, dass auch die katastrophale Lage der PalästinenserInnen Teil der deutschen historischen Last des Faschismus sind … Die Reaktion der rechstextremen Kräfte in der israelischen Regierung und im Militär werden kein Problem lösen, sie wird es fortschreiben und verewigen. Israel – Gaza weiterlesen

Heute vor fünfzig Jahren: Die Kirche und der Putsch in Chile

Die Kirche und der Putsch*

Am 11.09. 1973, heute vor fünfzig Jahren putschte General Pinochet gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende.  Systematisch wurden danach die politischen AktivistInnen ermordet (ca. 3000) und fast 30.000 Menschen wurden inhaftiert und gefoltert. Zwei Tage nach dem Putsch approbierte das permanente Komitee der Bischofskonferenz das Dokument „Fé cristiana y actuación política“ und brachte es am 26. Oktober in Umlauf. In ihm wurde erklärt, dass „kein Priester oder kein Ordensmann oder Ordensfrau dieser Bewegung (‚Christen für den Sozialimsus‛) angehören kann“. Heute vor fünfzig Jahren: Die Kirche und der Putsch in Chile weiterlesen

Franz Hinkelammert: ein letztes Adiós

Franz Hinkelammert, Ökonom und Theologe, geb. 1931 im westfälischen Emsdetten nahe Münster, ist im Alter von 92 Jahren in San José Costa Rica gestorben. Wir empfinden tiefe Trauer angesichts dieses letzten Adiós, zugleich aber eine immense Dankbarkeit für diesen schöpferischen Denker und Freund, der das Institut für Theologie und Politik von Beginn an begleitete. Wir danken ihm dafür, dass er die Anstrengung unseres eigenen Denkens durch seine Kreativität beflügelt und den Widerstand gegen die Diktatur der Alternativlosigkeit durch die Suche nach Alternativen hartnäckiger gemacht hat. Franz Hinkelammert: ein letztes Adiós weiterlesen

Broschüre „Es gibt nur eine Zeitenwende. Kleine theologische Anstöße“

„Es gibt nur eine Zeitenwende und das ist die Geburt des Messias. Wer das nicht begriffen hat, hat von der Weltgeschichte gar nichts begriffen!“

Dieser Satz von Renate Wind, wenige Wochen vor ihrem Tod am 9. Januar 2023, hat uns inspiriert, dem gegenwärtigen Diskurs zur Zeitenwende eine theologische Kritik entgegenzustellen.

In der kleinen Broschüre im DIN-A-6-Format kontrastieren wir die von den Regierenden vertretene Vorstellung von Zeitenwende mit Zitaten, die eine emanzipatorische und politisch-theologische Perspektive eröffnen. So wollen wir eine Selbstvergewisserung und eine klarere Sicht schaffen auf die herrschenden Verhältnisse und ihre vermeintlichen Sachzwänge und imperialen Logiken.

Die Broschüre kann bei uns gerne bestellt werden:
1 Ex. = 0,50 €, 25 Ex. = 10,00 €, 50 Ex. = 15,00 €, zuzüglich Versandkosten
Wir verweisen in diesem Zusammenhang gerne auch auf unseren Text „Krieg und Zeitenwende aus befreiungstheologischer-Perspektive“, der hier heruntergeladen werden kann.

ITP auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg 7.-11. Juni 2023

Auf dem Kirchentag wird das ITP neben der internationalen Podiumsveranstaltung „Frieden gibt es nicht auf dem Weg der Sicherheit“ (D. Bonhoeffer) zusammen mit der Rosa Luxemburg-Stiftung präsent sein mit einem eigenen Stand.

Dort werden wir kleine Diskussionsveranstaltungen zu folgenden Themen organisieren:
• Kirchenasyl: Subversive Praxis gegen das Grenzregime
• Feministische Theologie: Warum Gender-Theologie nicht das Ende der Feministischen Theologie ist
• Kritik an der Neoliberalisierung der EKD: Warum Segensbüros und Dienstleistungsgottesdienste das Ende der Nachfolge sind
• 50 Jahre Militärputsch in Chile – 50 Jahre ChristInnen für den Sozialismus in der BRD

Programm und Uhrzeiten der Veranstaltungen am Stand gibt es hier: Kirchentag_Standgespräche

Wir freuen uns sehr auf Besuche und Gespräche.

Ort: Messezentrum, Halle 4, Themenbereich 4: Gesellschaft und Bildung, Stand 4-D10

Außerdem rufen wir auf zur Friedensdemonstration während des  Kirchentages am Samstag, 10. Juni, ab 13 Uhr auf dem Rosa-Luxemburg-Platz, Nürnberg. Der Aufruf ist hier abrufbar.

„Militarisierung und Aufrüstung sind ein Komplex, dem zu begegnen verlernt wurde“

Eine Diskussion über Antimilitarismus, Pazifismus, die Legitimität von revolutionärer Gewalt und die Rolle von Christ*innen im Kampf für eine andere Welt

Mit: Cristina Yurena Zerr und Jakob Frühmann, Autor*innen des Buches Brot und Gesetze brechen, Christlicher Antimilitarismus aus der Anklagebank (Mandelbaum-Verlag, Wien 2021) und Benedikt Kern und Julia Lis vom Institut für Theologie und Politik. Veröffentlicht am 11.03.2023.

Antimilitaristischer ziviler Ungehorsam von Christ*innen, die in das Militärgelände Büchel eingedrungen sind.
Antimilitaristischer ziviler Ungehorsam von Christ*innen, die in den Militärstützepunkt Büchel eingedrungen sind.

Benedikt Kern: In eurem Buch „Brot und Gesetze brechen“ bezieht ihr euch auf die antimilitaristische Praxis von Christ*innen in der Pflugschar- und Catholic Worker-Bewegung. Diese Aktionen der Besetzung von Militärstützpunkten bis hin zu Sabotageaktionen und deren Erklärung vor Gerichten werden in eurem Buch auch als mystische Praxis und Bekenntnis beschrieben. Wie stehen hier aus eurer Sicht Mystik und Politik im Verhältnis zueinander? Steckt nicht in christlich-friedensbewegten Interventionen die Tendenz, dass es viel um Bekenntnis geht und wenig um Sabotage, die wirklich eine Unterbrechung des militaristischen Normalzustandes ist?

Jakob Frühmann: Ja, das stimmt teilweise. Wir haben uns auch die Frage nach der Effektivität solcher Aktionen, die teilweise starke Symbolkraft haben, aber nur sehr kleine materielle oder politische Auswirkungen, gestellt. Gleichzeitig ist es vielleicht auch wichtig, bei aller Verwegenheit und revolutionärer Sehnsucht bescheiden oder demütig zu bleiben und festzustellen: Radikal Position zu beziehen ist ein Anfang und schon schwer genug. Wer von uns traut sich auf eine Militärbasis einzubrechen? Was, wenn alle Christ:innen dieser Welt auch nur einen Bruchteil der christlichen Ethik ernst und ein paar Wochen Knast aufgrund ihres antimilitaristischen Zeugnisses auf sich nähmen? „Militarisierung und Aufrüstung sind ein Komplex, dem zu begegnen verlernt wurde“ weiterlesen