Am 14.03. veurteilt der Vatikan den Befreiungstheologen Jon Sobrino – keine Sanktionen

Gestern mittag, am 14.03. veröffentlichte der Vatikan seine Notificatio vom November letzten Jahres, die vermeintliche Glaubensirrtümer des Befreiungstheologen behandelte. Entgegen vieler Befürchtungen war diese Verurteilung nicht mit Sanktionen wie Lehr- oder Schreibverbot verbunden.

Allerdings hat der Ortsbischof Lacalle von San Salvador immer noch die Möglichkeit, Sobrino Redeverbot zu erteilen. Warum der Vatikan keine Sanktionen verhängt hat, ist bisher unklar. Möglicherweise hat der Jesuitenorden, dem Sobrino angehört, massiv interveniert. Vielleicht hat aber auch die öffentliche Aufmerksamkeit ihren Teil dazu beigetragen. Das vorläufig einigermaßen glimpfliche Ende des Falles kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Glaubenskongregation mit theologisch dürren, besser unhaltbaren Argumenten wieder einmal einen ihrer fortschrittlichsten und glaubwürdigsten Vertreter mundtot machen wollte. Die dreißig Jahre währende Kontinuität (Ernesto Cardenal, Leonardo Boff, Erzbischof Romero, Kardinal Arns) ist ungebrochen.

Rom zeigt deutlich, dass es an einem Glaubensverständnis festhält, dass es allzu deutliche Positionierung des Glaubens in gesellschaftliche Gewaltverhältnisse nicht will. Die Handschrift Ratzingers in dem Papier gegen Sobrino ist unübersehbar: Gegen einen Glauben, der sich aus der Nachfolge speist und in gesellschaftlicher Praxis erweist, setzt er einen Glauben, der sich in naiver Weise mit einem Vernunftbegriff versöhnen will, der nie etwas von Auschwitz, von Kapitalismus, von der Dialektik der Aufklärung gehört haben will.

Darin liegt die grundlegende Herausforderung für alle Theologie und ChristInnen. Es geht nicht einfach nur um „eine“ Theologie, um lateinamerikanische Befreiungstheologie, sondern um jede Theologie und jede christliche Praxis, die sich dem Kampf gegen Gewalt und Ungerechtigkeit verpflichtet weiß – und die darin und nicht im inhaltsleeren Überleben der Institution ihre Zukunft sieht.

Für die theologisch Interessierten dokumentieren wir hier in inoffizieller Übersetzung die gestern veröffentlichte Notifikation des Vatikans auf deutsch (zum download als pdf-datei)

congregatio_pro.pdf