Archiv der Kategorie: Aktuelles

Gegen Rechts aber für Aufrüstung?

Bei ihrer Frühjahrsvollversammlung Ende Februar 2024 in Augsburg haben die katholischen Bischöfe Deutschlands zum Thema Demokratie und Frieden Stellung bezogen. Sie veröffentlichten eine Erklärung mit dem Titel: „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“. Damit haben sich die Bischöfe tatsächlich weiter aus dem Fenster gelehnt, als wir es in den letzten Jahren gewohnt waren. Sie haben die Vielzahl der Krisen benannt, völkischen Nationalismus klar und deutlich verurteilt und sie haben die Notwendigkeit einer Gemeinwohlorientierung unterstrichen. Das sind alles Perspektiven, die bei den deutschen Bischöfen in den letzten Jahren nicht im Vordergrund standen. Zugleich bleibt das Statement – ganz ohne damit zu überraschen – auf regierungsnaher Linie: Es identifiziert vor allem die AfD als gesellschaftliches Hauptproblem. Doch es ist es ja nicht nur die AfD, die an beunruhigender Relevanz gewonnen hat. Auch in den sogenannten etablierten Parteien haben sich problematische Positionen stark gemacht. Die CDU will mit ihrem Grundsatzprogramm massive Grundrechtseinschränkungen für Geflüchtete einführen, wie beispielsweise Asylverfahren in Drittstaaten, was eine massive Entrechtung zur Folge hätte. Bundeskanzler Scholz hat in Der Spiegel ebenfalls sehr deutlich gesagt: „Wir müssen mehr abschieben.“ Das sind Positionen, für die gar nicht die AfD notwendig ist. Die gegenwärtige Entrechtungspolitik wird bereits jetzt in Gesetze gegossen. So wurde vor kurzem erst noch das Rückführungsverbesserungsgesetz mit einer massiven Aushebelung von Grundrechten für Geflüchtete eingeführt – und das eben nicht von einer AfD-Regierung. In einer notwendigen Analyse dieser Probleme greift dieses Bischofsspapier zu kurz, wenn es sich im Wesentlichen auf die AfD bezieht. Gegen Rechts aber für Aufrüstung? weiterlesen

Das zugerichtete Subjekt lässt grüßen

Stellungnahme des Arbeitskreises Religionslehrer*innen am ITP zum digitalisierten Distanzunterricht

Am 26.01.2024 veröffentlichte das NRW-Schulministerium per Pressemitteilung den Plan, die Ausbildungs- und Prüfungsordnung an den Berufskollegs zu ändern. Darin soll festgeschrieben werden, dass die „Verknüpfung von Präsenz- und Distanzunterricht in synchroner und digitaler Form unter bestimmten Voraussetzungen dauerhaft ermöglicht werden soll.“

Damit soll eine Bildung auf der „Höhe der Zeit“ gewährleistet werden, so der Wortlaut. Weiter heißt es, es biete die Chance, innovative Lehr- und Lernformen umzusetzen. Zudem würde dies den Wünschen vieler Ausbildungsbetriebe entsprechen, weil die Fahrzeiten für die Schüler*innen zu den Schulen reduziert werden könnten. Im Großen und Ganzen betrachtet, würden junge Menschen in NRW somit eine moderne berufliche Bildung erhalten, so Ministerin Feller.

Beim Lesen der Mitteilung fallen der geneigten Lehrer*in mehrere Aspekte negativ auf: Bildung wird hier völlig inhaltsleer und nur nach formalen Gesichtspunkten beschrieben. Welche Inhalte sollen denn überhaupt digital unterrichtet werden, bedeutet „modern“ in diesem Kontext ausschließlich „digital“? Das zugerichtete Subjekt lässt grüßen weiterlesen

Nachruf auf Ruth Schlette

Am Freitag, den 26. Januar 2024, verstarb unsere langjährige Freundin und treue Unterstützerin Ruth Schlette in Bonn. Bis zu ihrem Lebensende wollte sie mit uns im Kontakt stehen, solidarisch sein und die Welt begreifen.

Sie repräsentiert eine Generation (geb.1933 im Allgäu) , die als Kinder die Grauen des Krieges erlebten, in der Studierendenbewegung sich maßgeblich politisierten und Zeit ihres Lebens an den Grundfesten ihrer Gesellschaftskritik festhielten. Den Grundstein dafür hat vermutlich auch ihre Bildung in einem Internat der Benediktinerinnen gelegt, denn sie hat offensiv ihre links-christlich theologische Verankerung vertreten. Dies war unsere Verbindung zu ihr, zu ihrem Engagement und ihrer Unterstützung der Chile-Solidaritätsarbeit in den 1980er Jahren, aber auch befreiungstheologisch inspirierter Hochschulpolitik in der Studierendengemeinde in Münster. Nachruf auf Ruth Schlette weiterlesen

Europäisches Grenzregime: Aufruf zu einer gemeinsamen subversiven Praxis

Vortrag am Freitag, 19. Januar 2024, 18.30 Uhr

Bundeshaus, Bundesstrasse 13, 6005 Luzern

Die Brutalisierung an den Außengrenzen Europas und die gewaltförmigen Asylrechtsverschärfungen im Innern machen eine Praxis zur Durchsetzung von Bewegungsfreiheit und die Einhaltung fundamentaler Menschenrechte für Geflüchtete immer schwerer. Wie kann in dieser Situation der Schwäche der antirassistischen Bewegungen und der kirchlichen Akteur:innen Solidarität möglich werden? Wie können wir allen Rückschlägen in den letzten Jahren zum Trotz subversive Praktiken über Grenzen hinweg und wenn nötig auch jenseits des Legalen entwickeln, die nach den Lücken in den tödlichen Stacheldrahtzäunen suchen? Wie können wir in der gegenwärtigen Situation im Blick auf Migration und die damit verbundenen Kämpfe eine Perspektive gewinnen, die an der Möglichkeit eines guten Lebens für alle festhält?

Referent:innen des Vortrags sind die beiden Theolog:innen Benedikt Kern und Julia Lis vom Institut für Theologie und Politik in Münster (BRD). Sie arbeiten politisch-theologisch unter anderem an den Fragen von Migration und Solidarität und sind aktiv im Konfliktfeld Kirchenasyl.

Weitere Informationen gibt es hier.

Zwischenruf im Advent

Kriegstüchtigkeit – die selbstbewusste Form des Wahnsinns

Adventlicher Kommentar von Kuno Füssel

Ein deutscher Kriegsminister posaunt es vollmundig in die Welt, dass Deutschland endlich wieder werden muss, was es immer schon sein wollte und doch nie richtig beherrschte: kriegstüchtig werden. Zynismus und Dummheit lassen vergessen, was Krieg ist und war und bleibt. Zwischenruf im Advent weiterlesen

Erklärung: Kirchenasyl angesichts der Verschärfung der Abschiebungspraxis

„Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen“ (Mt 25)

Das Netzwerk Kirchenasyl Münster und die Kirchenasyl-Akteur:innen im Münsterland beobachten mit Sorge die aktuellen staatlichen Bemühungen, die Abschiebepraxis durch den Abbau von rechtsstaatlichen Prinzipien weiter zu beschleunigen. Die Gesetzesverschärfungen sind eine massive Entrechtung: So sollen in Zukunft „ausreisepflichtige“ Personen ohne Haftgrund in Sicherungshaft genommen werden, Abschiebungshaft kann bis zu 6 Monaten angeordnet werden, als seien Geflüchtete generell eine Gefahr für die öffentliche Ordnung. In Zukunft sollen die Behörden sogar ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss zur Nachtzeit Wohnungen auch Dritter betreten dürfen, um dort nach abzuschiebenden Geflüchteten zu suchen. Auch Ankündigungen der Abschiebungen sollen entfallen, was die enorme psychische Belastung der geflüchteten Menschen nur weiter vorantreibt. Wir halten diese aktuellen Verschärfungen für inakzeptabel.
Schon jetzt ist die Zahl der Abschiebungen aus NRW sehr hoch und aus den Landesunterkünften werden jede Nacht Menschen abgeschoben in die Perspektivlosigkeit. Dies bedeutet aus unserer Sicht eine staatliche Billigung inhumaner Härten für Geflüchtete.

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In Gedenken an Florian Giersch

Nachruf zum Tod von Florian Giersch des am ITP von 2015 bis 2022 aktiven Arbeitskreises Pastoral .

Fassungslos und traurig nehmen wir Abschied von unserem Weggefährten, Mitstreiter und Freund Florian Giersch. Am 10. November ist er mit 42 Jahren plötzlich und unerwartet nach einem internistischen Notfall gestorben, nachdem er kurz zuvor noch als St. Martin auf dem Fahrrad in seiner Gemeinde in Bottrop unterwegs war. In Gedanken sind wir bei seinen Liebsten, seiner Familie, seinen Freund:innen und allen, die um ihn trauern.

(Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Kirchengemeinde St. Cyriakus, Bottrop)

Florian hat unseren „Arbeitskreis Pastoral“ am Institut für Theologie und Politik in unserer aktiven Zeit als Arbeitskreis zwischen 2015 und 2022 wesentlich mitgetragen und geprägt. Wir behalten ihn als geradlinigen, aufrichtigen und freien Menschen in Erinnerung, der wusste, was ihm wichtig war. Als begeisterter Theologe stand er engagiert für seine Überzeugungen und Visionen ein und scheute nicht davor zurück, sich klar zu positionieren: für Gerechtigkeit und Frieden, für die Befreiung aller Menschen und die Bewahrung der Schöpfung. Bei aller Klarheit und Entschiedenheit haben wir ihn immer auch als zugewandt und offen, sensibel und interessiert erlebt, nahe bei den Menschen und verankert mitten im Leben: ein Mensch, der auch die Grauzonen und Ambivalenzen des Lebens kannte. In Gedenken an Florian Giersch weiterlesen

Befreiungstheologische Jubiläumstagung 17.-19.11.2023

Warum die Theologie nicht klein und hässlich sein muss“

Politisch-theologische Anfragen an die Zeitenwende und Rückfragen aus unserem messianischen Erbe

Tagung am Freitag, 17. bis Sonntag, 19. November 2023 aus Anlass des 30. Jubiläums des Instituts für Theologie und Politik (ITP) in Frankfurt am Main

Um uns herum macht sich Katastrophen- und Endzeitstimmung breit. Wir erleben Krieg und Klimakrise auf der einen Seite und die Verheißung der Heilung aller Wunden im „Weiter so“ von Aufrüstung, Modernisierung und Effizienzsteigerung auf der anderen Seite. Nachdem über Jahrzehnte das Ende der Geschichte ausgerufen war, sollen wir uns jetzt einer Zeitenwende unterwerfen. Soviel Theologie war lang schon nicht mehr in der Welt.

Gegen solche Verschleierung der Verhältnisse wollen wir unseren Einspruch aus der Perspektive einer politischen Theologie, also einer Befrei­ungstheologie, auf dieser Tagung setzen. Unseren Einwand gegen diese Verhältnisse verstehen wir als kritischen Einspruch eines Christentums, einer Theologie auf der Höhe der Zeit. Es ist ein Ein­wand gegen den Zustand der Welt und ihren Nihilismus.

Daher wollen wir anlässlich des 30-jährigen Bestehens des ITP unsere Theologie vorstellen, um uns anfragen zu lassen und unsere Positionen weiterzuentwickeln:

Wir möchten mit euch darüber diskutieren, wie wir heute über Geschichte und messianische Zeitenwende, über Transzendenz und Politik, über die Aporien einer instrumentellen Vernunft, über Feminismus und universale Solidarität aus einer theologischen Perspektive so nachdenken können, dass es uns gelingt angesichts der Katastrophe an der Sehnsucht nach Befreiung und Erlösung festzuhalten.

Programm: Befreiungstheologische Jubiläumstagung 17.-19.11.2023 weiterlesen

ITP-Rundbrief Nr. 59 erschienen

Im Oktober ist unser neuer Rundbrief erschienen, den Sie hier kostenlos bestellen können, um ihn an Interessierte weiterzugeben oder in Gemeinden oder Bildungseinrichtungen auszulegen. Inhaltlich geht es um eine befreiungstheologische Interpretation der franziskanischen Bewegung, die Krise des Feminismus, die Verschärfungen in der Migrationspolitik und die frühe Rezeption der Befreiungstheologie in der Bundesrepublik.

Hier können Sie ihn auf Deutsch (Rundbrief 59) und Spanisch (Boletín internacional 59) herunterladen.

Neues Papstschreiben „Laudate Deum“ fordert eine Abkehr von einer Wirtschaft, die tötet

Von Jan Henrik Röttgers

Papst Franziskus kritisiert in seinem neuen Schreiben „Laudate Deum“, das als Fortsetzung zur Enzyklika „Laudato si“ entstanden ist, deutlich die bestehenden Verhältnisse, die zur weltweiten Klimakatastrophe als sozialem Problem führen und die Unfähigkeit und den Unwillen der Mächtigen anders zu handeln. Er legt den Finger in die Wunde, wenn er die Mächtigen der Welt fragt: „Warum möchte man heute eine Macht bewahren, die in die Erinnerung eingehen wird wegen ihrer Unfähigkeit einzugreifen, als es dringend und notwendig war?“ (LD 60). Er konstatiert, dass es in den vergangenen Jahren seit Laudato si und trotz vieler Klimakonferenzen keine nennenswerten Anstrengungen gab auf die Klimakrise zu reagieren und wesentliche Veränderungen herbeizuführen. Stattdessen wird alles nur verschleppt und auf dem Altar der Profitmaximierung das gemeinsame Haus dauerhaft beschädigt. Neues Papstschreiben „Laudate Deum“ fordert eine Abkehr von einer Wirtschaft, die tötet weiterlesen